Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Versorgung mit Lorenzos Öl bei den Stoffwechselstörungen ALD und AMN
Orientierungssatz
1. Lorenzos Öl ist eine ergänzende Diät zur Behandlung eines angeborenen seltenen Defektes im Fettstoffwechsel, der unbehandelt zu schweren geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen führt. So wird es auch vom Bundesausschuss eingestuft.
2. Für Lorenzos Öl gibt es keine arzneimittelrechtliche Zulassung. Entgegen der Rechtsprechung des BSG besteht ein Anspruch auf Behandlung und Versorgung mit einem nicht zugelassenen Medikament bereits schon dann, wenn es sich um eine die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung handelt und eine dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht.
3. Auch wenn nicht von einem Wirksamkeitsnachweis im engeren Sinn ausgegangen werden kann, genügt für eine Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Krankenkasse, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Das ist bei der Stoffwechselstörung ALD und AMN der Fall.
4. Wird vom Versicherten die erforderliche Diät nichteingehalten und der mit der Verabreichung von Lorenzos Öl verfolgte Zweck unterlaufen, ist ein Versorgungsanspruch ausgeschlossen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 verurteilt, für die Zeit bis zum 31.03.2010 die Versorgung mit dem Präparat Lorenzos Öl sicherzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage der Kostenübernahme für die Versorgung des Klägers mit dem sog. Lorenzos Öl mit monatlichen Kosten in Höhe von ca. 800,00 Euro bis 1.000,00 Euro.
Der 1963 geborene Kläger leidet an einer Adrenoleukodystrophie (ALD) bzw. Adrenomyeloneuropathie (AMN). Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, bei der langkettige Fettsäuren nicht abgebaut werden können, mit der Folge schwerwiegender, meist neurologischer und endokrinologischer Funktionsstörungen. Insoweit bestehen beim Kläger unter anderem eine spastische Paraparese der Beine, eine afferente Ataxie, ein hirnorganisches Psychosyndrom, rezidivierende Depressionen sowie ein Suchtmittelmissbrauch.
Im Juni 2005 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das sog. Lorenzos Öl. Bei diesem Präparat handelt es sich um eine 4:1-Mischung aus Ölsäure und Erucasäure. Das Öl soll der Vorbeugung gegen ALD/AMN dienen, da diese Mischung aus bestimmten Fettsäuren die körpereigenen Enzyme hemmt, welche langkettige Fettsäuren herstellen, und damit das Aufkommen (sehr) langkettiger Fettsäuren - neben einer langkettige Fettsäuren vermeidenden Diät - reduzieren. Der Kläger fügte seinem Antrag verschiedene Arztbriefe und medizinische Unterlagen bei.
Nach der Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 19.07.2005 ab. Lorenzos Öl falle als diätetisches Lebensmittel nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Es sei keine Ausnahme gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gegeben und es liege darüber hinaus kein ausreichender Wirksamkeitsnachweis für dieses Produkt vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, den der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2006 zurückwies. Es wurde zusätzlich auf die Entscheidung des Landessozialgerichtes Thüringen vom 27.09.2004 - L 6 KR 883/02 - hingewiesen, gemäß der kein Anspruch auf Versorgung mit Lorenzos Öl durch die gesetzlichen Krankenkassen bestehe.
Der Kläger hatte bereits im Juni 2005 Klage erhoben, mit der er die Versorgung mit Lorenzos Öl geltend macht. Die Versorgung mit diesem Mittel sei medizinisch und für ihn unter Berücksichtigung der schwerwiegenden Erkrankung dringend notwendig.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 zu verurteilen, die Versorgung mit dem Präparat Lorenzos Öl sicherzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Unter Berücksichtigung der aktenkundigen Arztberichte sei bereits fraglich, ob der Kläger in der Lage sei, die erforderliche Diät in Bezug auf langkettige Fettsäuren einzuhalten. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei die Bewilligung einer Alkoholentziehungsmaßnahme beantragt. Darüber hinaus sei eine entsprechende Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich ausgeschlossen. Gemäß dem Urteil des Landessozialgerichts Thüringen handele es sich bei diesem Spezialöl um ein Arzneimittel, dass wegen fehlender Zulassung nicht zu Lasten der Krankenkassen verkehrsfähig sei. Selbst bei Einordnung als Diätetikum liege eine medizinische Notwendigkeit mangels Wirksamkeitsnachweis nicht vor.
Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung d...