Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Versorgung mit Lorenzos ÖL bei Stoffwechselstörung

 

Orientierungssatz

1. Lorenzos Öl stellt eine ergänzende bilanzierte Diät zur Behandlung eines angeborenen, seltenen Defektes im Fettstoffwechsel dar, der unbehandelt zu schweren geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen führt. Es besitzt keine arzneimittelrechtliche Zulassung.

2. Gleichgültig, ob man Lorenzos Öl als Arzneimittel oder diätetisches Lebensmittel qualifiziert, besteht nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Versorgungsanspruch nicht nur bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung, sondern auch bei einer die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung.

3. Der Versorgungsanspruch setzt voraus, dass eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegt. Diese Voraussetzungen sind bei dem Krankheitsbild Adrenoleukodystrophie (ALD) bzw. Adrenomyeloneuropathie (AMN) zu bejahen.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 verurteilt, für die Zeit bis zum 31.03.2010 die Versorgung mit dem Präparat Lorenzos Öl sicherzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage der Kostenübernahme für die Versorgung des Klägers mit dem sog. Lorenzos Öl mit monatlichen Kosten in Höhe von ca. 800,00 Euro bis 1.000,00 Euro.

Der 1975 geborene Kläger leidet an einer Adrenoleukodystrophie (ALD) bzw. Adrenomyeloneuropathie (AMN). Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, bei der langkettige Fettsäuren nicht abgebaut werden können, mit der Folge schwerwiegender, meist neurologischer und endokrinologischer Funktionsstörungen. Insoweit bestehen beim Kläger unter anderem eine spastische Paraparese der Beine, eine afferente Ataxie und ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie rezidivierende Depressionen.

Im August 2003 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das sog. Lorenzos Öl. Bei diesem Präparat handelt es sich um eine 4:1-Mischung aus Ölsäure und Erucasäure. Das Öl soll der Vorbeugung gegen ALD/AMN dienen, da diese Mischung aus bestimmten Fettsäuren die körpereigenen Enzyme hemmt, welche langkettige Fettsäuren herstellen, und damit das Aufkommen (sehr) langkettiger Fettsäuren - neben einer langkettige Fettsäuren vermeidenden Diät - reduzieren. Der Kläger fügte seinem Antrag verschiedene Arztbriefe und medizinische Unterlagen bei.

Nach der Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 03.12.2003 ab. Lorenzos Öl falle als diätetisches Lebensmittel nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Es sei keine Ausnahme gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gegeben und es liege darüber hinaus kein ausreichender Wirksamkeitsnachweis für dieses Produkt vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, den der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2006 zurückwies. Es wurde zusätzlich auf die Entscheidung des Landessozialgerichtes Thüringen vom 27.09.2004 - L 6 KR 883/02 - hingewiesen, gemäß der kein Anspruch auf Versorgung mit Lorenzos Öl durch die gesetzlichen Krankenkassen bestehe.

Der Kläger hatte bereits im Juni 2005 Klage erhoben, mit der er die Versorgung mit Lorenzos Öl geltend macht. Die Versorgung mit diesem Mittel sei medizinisch und für ihn unter Berücksichtigung der schwerwiegenden Erkrankung dringend notwendig. Er leide bereits an einer starken Einschränkung seiner Gehfähigkeit.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 zu verurteilen, die Versorgung mit dem Präparat Lorenzos Öl sicherzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Unter Berücksichtigung der aktenkundigen Arztberichte sei bereits fraglich, ob der Kläger in der Lage sei, die erforderliche Diät in Bezug auf langkettige Fettsäuren einzuhalten. Darüber hinaus sei eine entsprechende Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich ausgeschlossen. Gemäß dem Urteil des Landessozialgerichts Thüringen handele es sich bei diesem Spezialöl um ein Arzneimittel, dass wegen fehlender Zulassung nicht zu Lasten der Krankenkassen verkehrsfähig sei. Selbst bei Einordnung als Diätetikum liege eine medizinische Notwendigkeit mangels Wirksamkeitsnachweis nicht vor.

Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte des Internisten D und der Internistin und Endokrinologin PD L1, eine telefonische Auskunft des Sächsischen Krankenhauses I eingeholt sowie die Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses - Unterausschuss "Arzneimittel" - vom 27.04...

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