Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens bei Interessenwahrnehmung durch einen Verband
Orientierungssatz
1. Kosten des Widerspruchsverfahrens sind nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB 10 dann erstattungsfähig, wenn sie als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen anzusehen sind. Zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen dürfen nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) Rechtsdienstleistungen für ihre Mitglieder erbringen. Diese sind u. a. befugt, im Verwaltungsverfahren als Bevollmächtigte und Beistände aufzutreten. Hierzu zählt u. a. der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV).
2. Erlaubt sind nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG Rechtsdienstleistungen, die berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen und deren Zusammenschlüsse, im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder oder für die Mitglieder der ihnen angehörigen Vereinigungen oder Einrichtungen erbringen, wenn sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind.
3. Sofern von einer solchen Vereinigung für deren Tätigwerden Kosten erhoben werden, muss zu deren Erstattungsfähigkeit der Anspruch auf Rechtsdienstleistungen in einer satzungsrechtlichen Regelung wurzeln. Ein bloßer Geschäftsbesorgungsvertrag reicht insoweit nicht aus (Anschluss: BSG, Urteil vom 29. März 2007, B 9a SB 3/05 R).
4. Hat die Vereinigung zur Rechtsberatung ihrer Mitglieder eine juristische Person beauftragt, so tritt eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens nur dann ein, wenn in der Satzung der Vereinigung oder in derjenigen der beauftragten juristischen Person geregelt ist, dass die Rechtsvertretung für die Mitglieder der Vereinigung durchgeführt wird. Diese Voraussetzungen sind bei dem DBSV nicht erfüllt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welcher Höhe der Klägerin nach § 63 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - die Kosten für Bevollmächtigte im erfolgreich abgeschlossenen Vorverfahren zu erstatten sind.
Die Klägerin ist Mitglied im Q S1 Deutschland e.V., der kooperatives Mitglied im Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) ist. Der DBSV wiederum ist Gesellschafter der Rechtsberatungsgesellschaft der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfeorganisationen (DBSV, DVBS und Q S1 Deutschland e.V.), s2cn gemeinnützige GmbH (s2cn gGmbH).
Am 26.01.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines behindertengerechten Bildschirmarbeitsplatzes mit entsprechender Computerschulung (vgl. Angebot des Büros für Barrierefreie Bildung). Mit Bescheid vom 30.01.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei, weil sie in der Lage sei, eine Beschäftigung als Masseurin und Bademeisterin weiterhin auszuüben. Die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben würden somit nicht vorliegen. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 06.02.2012 Widerspruch. Sie teilte mit, dass ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin therapeutische Arbeit, Beratung, Schulungen, Dokumentationen und das Begleiten von Arbeitskreisen im Bereich Ergonomie umfasse. Ab Mitte des Jahres würden die Dokumentationspflichten erweitert und es werde keine Tageslichtprojektoren mehr geben. Sie brauche daher Kenntnisse im PowerPoint. Wegen ihrer starken Sehbehinderung könne sie diese Arbeiten aber nicht in einer angemessenen Zeit erledigen. Ein Bildschirmarbeitsplatz mit Vergrößerungssoftware und entsprechender Schulung würde ihren Arbeitsplatz langfristig sichern und sie hätte die Chance, ihre Arbeitszeit zu erweitern. Mit Schreiben vom 12.03.2012 teilte die Beklagte ihr mit, dass zur Entscheidung über den Widerspruch eine Stellungnahme zu bestimmten - im Schreiben genannten - Fragen erforderlich sei. Daraufhin meldete sich für die Klägerin der Geschäftsführer der s2cn gGmbH (im Folgenden Klägerbevollmächtigter genannt) und teilte unter Vorlage einer Vollmacht mit, dass durch ihn die rechtlichen Interessen der Klägerin vertreten würden. Er teilte u.a. mit, dass der von der Klägerin beantragte Laptop für die Ausübung ihrer Tätigkeit zwingend erforderlich sei. Mit Bescheid vom 25.04.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Hilfsmittel am Arbeitsplatz als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, gewährte jedoch nicht die Kosten für die beantragte Schulung im Umgang mit der Hilfsmittelausstattung. Hiergegen erhob die Klägerin durch den Klägerbevollmächtigten "Teilwiderspruch". Sie teilte mit, dass sie bisher nicht mit einer derartigen Arbeitsplatzausstattung habe arbeiten können, ...