Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Übernahme der Kosten für therapeutisches Reiten im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB 7. hier abgelehnt

 

Orientierungssatz

1. Die Hippotherapie (therapeutisches Reiten) stellt als Form der Krankengymnastik eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB 7 dar.

2. Da dei Hippotherapie derzeit als nicht verordnungsfähige Leistung im Sinne der Richtlinie über die Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung aufgeführt wird, können die dabei entstehenden Kosten nicht als Rehabilitationsleistungen vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen werden. 

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten einer Hippotherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der am 00.00.2001 geborene Kläger leidet, bedingt durch eine Drillingsfrühgeburt und eine Hirnblutung III. Grades, an einer armbetonten Hemiparese rechts, einer leicht betonten Hemiparese rechts, einem Hydrocephalus mit Shuntanlage, akkomodativer Esophorie, kleinwinkliger Hypotrophie rechts, Esotrophie und Astigmatismus beidseits. Neben einem Grad der Behinderung 70 und den Merkzeichen "B" und "G" ist die Pflegestufe I anerkannt. Der Kläger besucht einen Regelkindergarten.

Nach erfolgloser Antragstellung gegenüber der Krankenkasse beantragte der Kläger unter dem 08.12.2004 gegenüber der Beklagten die Übernahme der Kosten therapeutischen Reitens. Er legte eine Bescheinigung des Therapeutischen Reit-Zentrums und der Voltigierschule L vom 13.11.2004 vor, nach der aufgrund der kontinuierlichen wechselseitigen Bewegungsübertragung beide Körperhälften gleichermaßen bewegt würden. Dies führe zu einer sensomotorischen Leistung, die eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die sensorische Integration sei. Dies sei für den Kläger sehr wichtig und mit konventionellen krankengymnastischen Übungsbehandlungen nicht mit gleichem Ergebnis zu erreichen.

Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme ihres Gesundheitsamtes. Dieses stellte unter dem 22.02.2005 fest, dass es derzeit keine Alternative zur Hippotherapie gebe, um die Greiffunktion der rechten Hand des Klägers noch zu verbessern. Die Hippotherapie diene der Verbesserung der Körperfunktion mit dem Ziel, dass der Kläger eine integrative Schule besuchen könne. Alleine durch die Ergotherapie könne diese Verbesserung nicht erreicht werden. Bei Nichtdurchführung der Therapie bestehe allerdings nicht die Gefahr, dass der Kläger aus der Gesellschaft ausgegliedert werde. Die Übernahme der Kosten der Hippotherapie einmal wöchentlich werde befürwortet.

Mit Bescheid vom 30.03.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie stellte darauf ab, dass es sich bei der Hippotherapie um eine krankengymnastische Maßnahme und damit um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form der Frühförderung gemäß § 54 SGB XII in Verbindung mit §§ 26 Abs. 2 Nr. 2, 30 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) handele. Nach § 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII entsprächen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB XII den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. § 138 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) bestimme, dass Neuheilmittel im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur verordnet werden dürften, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt habe. Die Hippotherapie sei nicht anerkannt.

Der Kläger erhob am 29.04.2005 Widerspruch. Andere Sozialhilfeträger übernähmen die Kosten einer Hippotherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe. Die Beklagte müsse berücksichtigen, dass die Therapie seine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft fördere, indem sie seine Kontaktfähigkeit stärke und seine Ängstlichkeit abbaue. Das Pferd stärke sein Selbstbewusstsein, da es ihm das Gefühl vermittele, etwas alleine zu können. Müsse er darauf verzichten, drohe ihm der Ausschluss aus dem Regelkindergarten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe aufgrund seiner Behinderung grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe. Diese umfassten sowohl heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult seien (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX), als auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form der Früherkennung und Frühförderung behinderter Kinder (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX). Heilpädagogische Maßnahmen dienten unmittelbar der Vorbereitung auf den Schulbesuch, während Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Abwendung, Beseitigung, Minderung und dem Ausgleich von Behinderungen sowie der Verhütung einer Verschlimmerung dienten. Die Hippotherapie beruhe auf einem rein medizinischen Ei...

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