Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der Kosten einer Hippotherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe
Orientierungssatz
1. Bei der Hippotherapie handelt es sich um reine Krankengymnastik auf dem Rücken eines Pferdes. Sie stellt infolgedessen als besondere Form der Krankengymnastik eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB 9 dar.
2. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation müssen nach § 54 Abs. 1 S. 2 SGB 12 den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Hippotherapie kann als Heilmittel i. S. von § 32 SGB 5 nur verordnet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt hat. Das ist hinsichtlich der Hippotherapie bisher nicht geschehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten einer Hippotherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der am 00.00.1999 geborene Kläger leidet an nichtketotischer Hyperglycinämie, einem Krampfleiden und Tonusstörungen wie Spastik und zentralbedingter Muskel-Hypotonie. Aufgrund seiner Gesundheitsstörungen sind ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen "G", "AG", "BL", "H" und "RF"anerkannt.
Nach erfolgloser Antragstellung gegenüber der Krankenkasse beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten am 09.03.2005 die Übernahme der Kosten einer Hippotherapie im Rahmen der Eingliederungshilfe. Der Kläger wies darauf hin, dass die Therapiekosten an seinem bisherigen Wohnort durch den Sozialhilfeträger übernommen worden seien. Er legte eine Heilmittelverordnung der Kinder- und Jugendärztinnen P und N vor, die als Therapieziele die "Regulierung des Muskeltonus, Vermeidung von Kontrakturen" angab.
Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme ihres Gesundheitsamtes. Dieses stellte unter dem 30.06.2005 fest, dass der Kläger nicht laufen könne, eine Sprachentwicklung nicht erfolgt sei, der Kläger wegen ausgeprägter Skoliose ein Korsett trage und eine cerebrale Blindheit bestehe. Der Kläger erhalte täglich Logopädie, einmal wöchentlich Ergotherapie und dreimal wöchentlich Krankengymnastik. In Florida sei eine längerfristige Delfintherapie durchgeführt worden. Der therapeutische Nutzen müsse zumindest als zweifelhaft angesehen werden und widerspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot, da die Hippotherapie regelmäßig krankengymnastische Behandlungen ergänze. Bei dem Kläger seien krankengymnastische Übungen zwar notwendig, aber auch ausreichend. Von einer zusätzlichen Hippotherapie sei nicht mit hinreichender Sicherheit ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen zu erwarten, zumal die nichtketotische Hyperglycinämie eine Stoffwechselerkrankung darstelle, die nicht geheilt werden könne, und die Muskelhypotonie zum Krankheitsbild gehöre.
Mit Bescheid vom 04.07.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dem Kläger sei zwar dem Grunde nach Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII zu gewähren. Nach amtsärztlicher Stellungnahme seien aber krankengymnastische Übungen ausreichend. Ein therapeutischer Nutzen sei von einer zusätzlichen Hippotherapie nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, zumal der Kläger unter einer nicht heilbaren Stoffwechselerkrankung leide, die mit der Muskelhypotonie einhergehe.
Der Kläger erhob am 25.07.2005 Widerspruch. Er trug vor, die Hippotherapie sei bestens geeignet, seine Muskelhypotonie zu mildern und einer Verschlimmerung, auch seiner Skoliose, entgegenzuwirken. Sie vermittele ihm auch in hervorragender Weise ein Gefühl im Raum und verbessere sein Gleichgewicht, den Tonus der Rumpfmuskulatur und der Extremitäten. Er habe in den vergangenen Jahren seine Kopfkontrolle stark verbessert. Unspezifische Verhaltensweisen wie Greifen und Tasten habe er bisher nur im Rahmen der Hippotherapie gezeigt. Der Kläger nahm Bezug auf ein Schreiben der Kinder- und Jugendärztin S vom 07.07.2005, nach dem durch intensive Förderung Fortschritte in der Statomotorik erzielt worden seien. Er könne sich jetzt selbständig drehen und verfüge über eine zufriedenstellende Kopfkontrolle. Die Tonisierung der Rumpfmuskulatur und die Kopfkontrolle seien elementare Voraussetzungen, um die tägliche Grundpflege seiner Eltern zu erleichtern.
Die Beklagte zog die Verwaltungsakte der Stadt W bei, die eine amtsärztliche Stellungnahme vom 24.09.2002 enthielt. Danach sei die Hippotherapie geeignet, die bei dem Kläger bestehenden Beeinträchtigungen zu mildern. Die Akte enthielt Bewilligungsbescheide vom 01.10.2002, 18.12.2003 und 30.06.2004, die auf der Grundlage des § 26 Abs. 2, 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) ergangen waren.
In einer weiteren Stellungnahme führte das Gesundheitsamt der Beklagten unter dem 01.09.2005 aus, die von dem Kläger derzeit in Anspruch genommene Therapie sei mehr als ausreichend. Wegen Mutterschutzes der Hippotherapeutin u...