Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Abrechnungsprüfung. Aufschlagszahlung nach § 275c Abs 3 SGB 5. nur bei Aufnahme in das Krankenhaus ab dem 1.1.2022

 

Orientierungssatz

Die Berechtigung der Krankenkasse zur Erhebung einer Aufschlagszahlung nach § 275c Abs 3 SGB 5 ist nur auf Behandlungsfälle anwendbar, bei denen die Aufnahme in das Krankenhaus ab dem 1.1.2022 erfolgt (Anschluss an SG Berlin vom 25.7.2022 - S 28 KR 1213/22 ER).

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2022 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 300 €.

4. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer Aufschlagszahlung nach § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für einen Behandlungsfall aus dem Jahre 2020.

Die bei der Beklagten versicherte ... (* ...) (im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 09.10.2020 bis 11.10.2020 im Hause der Klägerin stationär wegen einer Gelenkschädigung am Knöchel und Fuß behandelt.

Die Klägerin stellte der Beklagten am 30.11.2020 für den stationären Aufenthalt einen Gesamtbetrag von 3.349,06 € in Rechnung. Die Rechnung ging am 04.12.2020 bei der Beklagten ein und legte die D. R. Group (DRG) I27E [Bestimmte kleine Eingriffe am Weichteilgewebe oder ein Belegungstag] zu Grunde.

Die Beklagte beglich diese Rechnung zunächst vollständig und veranlasste am 19.03.2021 eine Prüfung der Rechnung durch den Medizinischen Dienst (MD). Mit Prüfanzeige vom 23.03.2021 zeigte der MD der Klägerin die Prüfung einer sekundären Fehlbelegung sowie der Prozeduren an. Die Prüfanzeige ging im März 2021 bei der Klägerin ein.

Dr. med. ... des MD kam in seiner Begutachtung vom 28.03.2022 zu dem Ergebnis, dass die Behandlung bei ambulanter Diagnostik und Therapie um einen Belegtag hätte verkürzt werden können und der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-855.59 R (Naht und andere Operationen an Sehnen und Sehnenscheide: Tenolyse, eine Sehne: Unterschenkel) nicht zu kodieren sei.

Am 31.03.2022 teilte die Beklagte der Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von 911,54 € mit und verwies zur Begründung auf das MD-Gutachten. Die Klägerin akzeptierte das Gutachten und korrigierte die Rechnung auf 2.437,52 €. Die korrigierte Rechnung vom 31.03.2022 ging bei der Beklagten am 05.04.2022 bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 13.07.2022 setzte die Beklagte eine Aufschlagszahlung nach § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.H.v. 300 € fest, wogegen sich der Widerspruch des Bevollmächtigten der Klägerin vom 26.07.2022 richtete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung trägt sie unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vor, dass die Aufschlagsberechnung auf Fälle vor dem 01.01.2022 anwendbar sei. Es käme für das Datum des Inkrafttretens der Neuregelung auf die leistungsrechtliche Entscheidung an.

Die Klägerin hat am 09.09.2022 durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass es bereits an der nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB X) geforderten Anhörung fehle, die durch den Widerspruch nicht ersetzt werden könne. Weiter sei der Bescheid inhaltlich unzureichend begründet, da nicht erkennbar sei, wie der im Bescheid genannte Betrag berechnet werde und welches Quartal zur Berechnung der Aufschlagszahlung heranzuziehen sei. Zudem sei der Bescheid in materieller Hinsicht rechtswidrig, da die Regelung über die Aufschlagszahlung auf den Behandlungsfall aus 2021 nicht anwendbar sei, sondern erst für Krankenhausaufnahmen ab dem 01.01.2022. In systematischer Hinsicht ergebe sich dies daraus, dass die Prüfquotenregelung des § 275c Abs. 2 S. 4 SGB V für die Berechnung des Aufschlags nach § 275c Abs. 3 SGB V maßgeblich sei - und die Prüfquoten in der „flexibel“ berechneten Form erst für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2022 gelten würden. Demgegenüber habe der Gesetzgeber für den hier maßgeblichen Zeitraum eine „starre“ Prüfquote in § 275c Abs. 2 S. 1 SGB V festgelegt. Wenn der Berechnungsweg eine Nullstelle enthalte, so müsse das Ergebnis mathematisch ebenfalls Null sein. Überdies habe der Gesetzgeber durch Art. 3 Nr. 8 lit. a bb) COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz (v. 27.03.2020, BGBl. I, S. 580) das „Startjahr“ für die Regelungen des MD-Reformgesetz insgesamt um zwei Jahre verschoben, weshalb nicht der Zeitpunkt des Inkrafttretens einzelner Regelungen vorverlegt werden könne. Darüber hinaus würden die Regelungen zum Prüfverfahren in systematischer Hinsicht erst für Krankenhausaufnahmen ab dem 01.02.2022 gelten und das Bundessozialgericht stelle in ständiger Rechtsprechung gleichfalls auf den Aufnahmezeitpunkt ab. Für die Maßgeblichkeit der Krankenhausaufnahme spreche der Sinn und Zweck, durch die Wahl eines neutralen Anknüpfungspunktes zu verhindern, dass es die Krankenkasse in d...

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