Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten. Folgen der fehlerhaften Angabe einer angemessenen Nettokaltmiete in einer Kostensenkungsaufforderung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Ermittlung der abstakt angemessenen Kosten der Unterkunft im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende kann bei einer kreisfreien Stadt im Regelfall auf das gesamte Stadtgebiet als räumlicher Vergleichsmaßstab zurückgegriffen werden.

2. Zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft ist es nicht zulässig, auf die nach dem Wohngeldgesetz (juris: WoGG) bestimmten Miethöhen zurückzugreifen, auch wenn diese nur zur Ermittlung eines Mittelwertes unter zusätzlicher Berücksichtigung der Daten in einem Mietspiegel verwendet werden.

3. Fehlerhafte Angaben zur Höhe der angemessenen Nettokaltmiete in einer Kostensenkungsaufforderung gegenüber einem Grundsicherungsempfänger begründen nur ausnahmsweise dann einen Anspruch auf weitere Übernahme einer unangemessen hohen Miete, wenn die fehlerhaften Angaben zur Unmöglichkeit von Kostensenkungsmaßnahmen geführt haben.

4. Einzelfall zur Ermittlung angemessener Kosten der Unterkunft im Rahmen der Grundsicherungsleistungen auf der Basis eines Mietspiegels.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 04.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 sowie 06.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2007 bis 31.07.2007 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 27,60 EUR sowie für die Zeit vom 01.08.2007 bis 30.09.2007 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 14,60 EUR zuzüglich Zinsen ab 14.09.2007 aus 139,60 EUR in Höhe von 4% zu gewähren. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 06.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.03.2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 14,60 EUR zuzüglich Zinsen ab 29.02.2008 aus 87,60 EUR in Höhe von 4% zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/4 zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten für den Zeitraum 01.04.2007 bis 31.03.2008.

Er bezieht von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und bewohnt eine Zweizimmerwohnung mit einer Größe von 55,94 m², für die monatliche Kosten in Höhe von insgesamt 430,00 EUR anfielen (Kaltmiete 340,00 EUR, Nebenkostenvorauszahlung 70,00 EUR, Heizkostenvorauszahlung 20,00 EUR).

Mit Schreiben vom 24.04.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die für ihn angemessene Kaltmiete betrage 255,00 EUR, und forderte ihn auf, die Kosten für seine Unterkunft zu senken. Hierfür setzte sie ihm eine Frist bis 31.10.2006.

Mit Bescheid vom 04.04.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum 01.04.2007 bis 30.09.2007, wobei sie - wie bereits in dem Bescheid vom 21.09.2006 für die Zeit ab 01.11.2006 (s. hierzu S 25 AS 84/07) - für die Kaltmiete einen Betrag in Höhe von 255,00 EUR pro Monat berücksichtigte. Diesen Bescheid änderte die Beklagte zum einen mit Änderungsbescheid vom 02.06.2007 (Anhebung der Regelleistung ab Juli 2007) und zum anderen mit Änderungsbescheid vom 06.09.2007 ab, demzufolge ab 01.08.2007 eine angemessene Kaltmiete von 268,00 EUR berücksichtigt wurde.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 12.05.2007, 18.06.2007 sowie 25.09.2007 gegen den Bescheid sowie die Änderungsbescheide Widerspruch, den er unter Bezugnahme auf seinen Widerspruch vom 22.10.2006 gegen den Bescheid vom 21.09.2006 damit begründete, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für eine Einzelperson eine Wohnung mit 60 m² angemessen sei. Da die von ihm bewohnte Wohnung eine Wohnungsgröße von 55,94 m² habe, sei diese angemessen. Auch der Mietpreis pro Quadratmeter sei angemessen, da dieser bei lediglich 6,00 EUR liege. Angemessen sei nicht nur eine Miete im untersten Bereich des örtlichen Mietspiegels, sondern auch im unteren Bereich des preislichen Mittelfeldes. Des Weiteren lägen besondere persönliche und berufliche Bedürfnisse vor, welche die Bewilligung von ansonsten unangemessenen Kosten rechtfertigten. Zunächst leide er seit 1993 an chronischen Schlafstörungen und habe sich die Wohnung daher danach ausgesucht, ob sie in einem Umfeld liege, in dem er davon ausgehen könne, dass die nächtlichen Ruhezeiten eingehalten würden. In billigeren Wohnlagen müsse eher mit Ruhestörungen gerechnet werden, da Höflichkeit und nachbarschaftliche Rücksichtnahme dort weniger verbreitet seien. Des Weiteren sei die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr für ihn von besonderer Bedeutung, da er kei...

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