Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Honorarbescheides hinsichtlich der Ausgestaltung von Regelleistungsvolumen und Individualbudget

 

Orientierungssatz

1. Bei der angemessenen Honorierung vertragsärztlicher Leistungen reicht es für die gebotene Vorgabe arztgruppenspezifischer Grenzwerte nicht aus, wenn jeder Arztgruppe im Honorarverteilungsmaßstab ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet wird. In die Regelung muss auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließen. Enthalten die Individualbudgets weder feste Punktwerte noch arztgruppenspezifische Grenzwerte, so genügen sie nicht den Anforderungen des § 85 Abs. 4 S. 7 SGB 5 und sind infolgedessen keine Regelleistungsvolumen.

2. Regelleistungsvolumen sind arztgruppenspezifische Grenzwerte, bis zu denen die erbrachten vertragsärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragsärzten des Honorarverteilungsvertrags vereinbarten festen Punktwert zu vergüten sind. Sie dienen dazu, die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren und damit die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus der vertragsärztlichen Tätigkeit zu verbessern sowie die Versorgungsqualität zu steigern. Entsprechendes gilt für die Individualbudgets, vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R.

3. Die Vergleichbarkeit der Auswirkungen der beiden Steuerungselemente hängt wesentlich davon ab, ob der Vertragsarzt in gleicher Weise eine sichere Abschätzung seines vertragsärztlichen Honorars treffen kann und der Vergleichsmaßstab damit auf die gesetzliche Vorgabe in § 85 Abs. 4 S. 7 SGB 5 hinsichtlich der Kalkulationssicherheit aufgrund fester Punktwerte reduziert wird. Hierbei ist ein weiter Auslegungsspielraum zu verneinen.

4. Beruht dementsprechend ein Honorarbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung auf einer rechtswidrigen Honorarverteilung, so ist er aufzuheben.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale III/06 und IV/06 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2007 verurteilt, über das vertragsärztliche Honorar der Kläger in den Quartalen III/06 und IV/06 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des vertragsärztlichen Honorars der Kläger in den Quartalen III/06 und IV/06.

Die Kläger sind Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin und in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in L tätig. Die Honorarberechnung erfolgte nach Maßgabe des § 7 Honorarverteilungsvertrages (HVV). Danach stand den Klägern als individuelles, maximal abrechenbares Punktzahlvolumen (Individualbudget) der doppelte Grenzwert der Fachgruppe in Höhe von 2.494.698,0 Punkten zur Verfügung. Bei einer anerkannten Leistungsanforderung von 1.728.375,0 Punkten im Quartal III/06 und von 1.744.045,0 Punkten im Quartal IV/06 erfolgte jeweils keine Kürzung nach § 7 HVV. Die Bewertung der abgerechneten Punkte erfolgte nach Fachgruppenquoten in Höhe von 70,6943% bzw. in Höhe von 74,3870%. Danach verblieben im Quartal III/06 insgesamt 1.221.862,6 Punkte und im Quartal IV/06 insgesamt 1.297.342,8 Punkte, die mit einem Punktwert in Höhe von 5,11 Cent vergütet worden sind. Auf dieser Berechnungsgrundlage erhielten die Kläger mit Bescheid vom 30.01.2007 ein Gesamthonorar in Höhe von 72.315,05 Euro (Quartal III/06) und mit Bescheid vom 25.04.2007 ein Gesamthonorar in Höhe von 104.512,66 Euro (Quartal IV/06).

Gegen die vorgenannten Quartalsabrechnungsbescheide legten die Kläger jeweils Widerspruch ein. Diese begründeten sie im Wesentlichen wie folgt: Der Anspruch auf ein höheres vertragsärztliches Honorar rechtfertige sich unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Dieser Grundsatz sei zu Lasten der Gruppe der Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin im streitigen Zeitraum verletzt worden. Mithin seien Stützungsmaßnahmen zugunsten ihrer Fachgruppe erforderlich. Die Punktwert-Quote sei gravierend abgefallen und habe einen Abstand zu Quoten anderer Fachgruppen von zwischen 11,2% und 37,2%. Ein sachlich rechtfertigender Grund sei insofern nicht erkennbar. Auch ein Vergleich mit der Durchschnittsquote der Fachärzte zeige eine große Differenz zu der Quote ihrer Fachgruppe. Unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Situation bestehe daher für die Ärzte ihrer Fachgruppe kein ausreichender Anreiz mehr, vertragsärztlich tätig zu sein, so dass die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung in diesem Bereich gefährdet sei. Des weiteren sei fehlerhaft, dass für die zahlenmäßig kleine Gruppe der Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin ein gesondertes Honorarkontingent gebildet worden sei. Aber selbst wenn ein gesondertes Honorarkontingent zulässig sein sollte, sei festzuhalten, dass der Zuschnitt dieses Honorartopfes einer rechtlichen Prüfung nicht standhalte.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2007 zurück. Die angefochtenen Bescheide stünden im E...

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