Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Honorarbescheides wegen rechtswidriger Honorarverteilung
Orientierungssatz
1. Im Honorarverteilungsvertrag kann nach § 95 Abs. 1 SGB 5 vereinbart werden, dass jede vertragsärztliche Praxis bzw. jedes Medizinische Versorgungszentrum und jeder ermächtigte Arzt für punktbewertete Leistungen ein maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen erhält. Leistungen, die darüber hinaus erbracht werden, unterliegen der Kürzung auf dieses Punktzahlvolumen.
2. Nach der Entscheidung des BSG vom 17. 3. 2010 entsprechen Individualbudgets nicht den Vorgaben des § 85 Abs. 4 S. 7 SGB 5 und sind daher keine Regelleistungsvolumina i. S. dieser Vorschrift. Aufgrund der Ermächtigung des § 85 Abs. 4 a S. 1 i. V. m. Abs. 4 S. 6 bis 8 SGB 5 ist der Bewertungsausschuss zur Normierung einer Übergangsregelung befugt. Dabei ist ihm eine allmähliche Anpassung eingeräumt, die übergangsweise Abweichungen toleriert, vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2010 - B 6 KA 43/08 R.
3. Die komplexen Veränderungen, die der Gesetzgeber mit dem GKV-Modernisierungsgesetz hat einführen wollen, verlangen einen entsprechend ausgedehnten Zeitrahmen. Es ist deshalb von der Gestaltungsfreiheit des Gemeinsamen Bundesausschusses umfasst, wenn er eine Übergangsregelung beschließt, die auf mit den Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB 5 vergleichbare Steuerungselemente abstellt.
4. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumina ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten ist. Damit erhält der Vertragsarzt Kalkulationssicherheit hinsichtlich seiner Praxisumsätze und seines Einkommen, vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R.
5. Durch die Individualbudgetierung wird der Umsatz des Vertragsarztes gesteuert. Demgegenüber setzt das Regelleistungsvolumen-System entscheidend bei den Fallzahlen an. Damit ist eine Vergleichbarkeit der Auswirkungen von Individualbudget und Regelleistungsvolumen ausgeschlossen.
6. Beruht infolgedessen ein Honorarbescheid auf einer rechtswidrigen Honorarverteilung, so ist er aufzuheben.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale I/06 und II/06 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2007 verurteilt, über das vertragsärztliche Honorar der Kläger in den Quartalen I/06 und II/06 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des vertragsärztlichen Honorars der Kläger in den Quartalen I/06 und II/06.
Die Kläger sind Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin und in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in L tätig. Die Honorarberechnung erfolgte nach Maßgabe des § 7 Honorarverteilungsvertrages (HVV). Danach stand den Klägern als individuelles, maximal abrechenbares Punktzahlvolumen (Individualbudget) der doppelte Grenzwert der Fachgruppe in Höhe von 2.494.698,0 Punkten zur Verfügung. Bei einer anerkannten Leistungsanforderung von 1.802,640,0 Punkten im Quartal I/06 und von 1.680.310,0 Punkten im Quartal II/06 erfolgte jeweils keine Kürzung nach § 7 HVV. Die Bewertung der abgerechneten Punkte erfolgte nach Fachgruppenquoten in Höhe von 67,5572% bzw. in Höhe von 65,9528%. Danach verblieben im Quartal I/06 insgesamt 1.217.822,7 Punkte und im Quartal II/06 insgesamt 1.108.220,9 Punkte, die mit einem Punktwert in Höhe von 5,11 Cent vergütet worden sind. Auf dieser Berechnungsgrundlage erhielten die Kläger mit Bescheid vom 25.07.2006 ein Gesamthonorar in Höhe von 88.089,69 Euro (Quartal I/06) und mit Bescheid vom 24.10.2006 ein Gesamthonorar in Höhe von 71.755,17 Euro (Quartal II/06).
Gegen die vorgenannten Quartalsabrechnungsbescheide legten die Kläger jeweils Widerspruch ein. Diese begründeten sie im Wesentlichen wie folgt: Die Fachgruppe der Ärzte für Physikalisch-Rehabilitative Medizin sei bis zum Quartal I/05 nicht budgetiert gewesen und habe im EBM kein eigenes Leistungskapitel gehabt. Im EBM 2000 plus sei erstmals ein fachspezifisches eigenes Leistungskapitel eingeführt worden, mit dem eine Besserstellung dieser Fachgruppe bezweckt gewesen sei. Durch die ungerechte Budgetierung würde jedoch das abrechenbare Punktzahlvolumen stark eingeschränkt. Das Punktebudget werde auf Basis von Quartalen mit schlechten Bedingungen berechnet. Dadurch werde die Punktzahlanforderung willkürlich um 35% beschnitten. Altpraxen würden gegenüber jüngeren Praxen benachteiligt, weil letztere entsprechend der neuen Bedingungen im EBM 2000 plus wachsen dürften. Ferner werde durch die vorgenommene Bemessung des Honorartopfes die zuvor bestehende Benachteiligung der Fachgruppe fortgesetzt. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass mit dem neuen EBM ein eigenes Kapitel mit völlig neuen Leistungen und Bewertungen eingeführt worden sei. Durch die vielfach jungen Praxen werde es zu weiteren Umverteilungen im Honorar kommen. Es sei daher an die Werte der Fachgruppe der Orthopäden anzu...