Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Statusfeststellung über eine Schwerbehinderteneigenschaft. Umfang der Rückwirkung einer Statusfeststellung
Orientierungssatz
Die Rückwirkung einer Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist auf den Zeitpunkt des ersten Antrags auf Zuerkennung einer Schwerbehinderteneigenschaft beschränkt. Allerdings scheidet eine Rückwirkung für solche Zeiträume aus, für die bereits eine bestandskräftige Entscheidung über einen Antrag auf Statusfeststellung getroffen wurde, da die ausnahmsweise mögliche Rückwirkung jedenfalls nicht in abgeschlossene Verfahren eingreifen soll.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX - um die rückwirkende Feststellung einer Schwerbehinderteneingenschaft.
Die 1950 geborene Klägerin beantragte im Dezember 2003 beim Versorgungsamt X die Feststellung eines Grades der Behinderung.
Mit Bescheid vom 09.02.2004 stellte das Versorgungsamt X bei der Klägerin ab dem 18.12.2003 einen GdB von 30 fest.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, dem mit Abhilfebescheid vom 09.03.2004 insoweit entsprochen wurde, als nunmehr auch eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt wurde.
Mit Bescheid vom 12.07.2004 wies die Bezirksregierung Münster den weitergehenden Widerspruch hinsichtlich der Höhe des Grades der Behinderung zurück.
Dieser Widerspruchsbescheid wurde mit einer Klage nicht angefochten und ist bestandskräftig geworden.
Unter dem 21. Juli 2005 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag.
Das Versorgungsamt X holte daraufhin Befundberichte von den Ärzten der Klägerin ein und erteilte unter dem 15.09.2005 einen Bescheid, wonach die Behinderungen
1. Depression, Kopfschmerz, Gelenk- und Muskelbeschwerden (Einzel-GdB 30)
2. Bauchbeschwerden, Magenschleimhautentzündung, Speiseröhrenrückflußleiden, (Einzel-GdB 20)
3. Wirbelsäulenbeschwerden infolge Verschleiß (Einzel-GdB 20)
4. Schulterbeschwerden, Fingergelenksverschleiß (Einzel-GdB 10)
5. Kniegelenksverschleiß, Fußverformung, Zehenfehlstellung (Einzel-GdB 10)
6. Sehkraftminderung rechts (Einzel-GdB 30)
einen Gesamt-GdB von 60 bedingen.
Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Unter dem 16.04.2007 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt X die Rückdatierung des Gültigkeitsbeginns ihrer Schwerbehinderung auf die Zeit vor dem 16.11.2000.
Mit Bescheid des Versorgungsamtes X vom 16.05.2007 wurde der Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 15.09.2005 abgelehnt. Zur Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, die Feststellung eines GdB von mindestens 50 für die Zeit ab November 2000 sei aufgrund nicht vorliegender aussagekräftiger Befundunterlagen nicht möglich.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie auf eine augenfachärztliche Bescheinigung vom 05.07.2007 verwies.
Mit Bescheid vom 07. November 2007 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch der Klägerin als sachlich unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 22. November 2007 bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin abermals auf eine augenfachärztliche Bescheinigung verweist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2007 zu verurteilen, den Bescheid vom 09.02.2004 und den Bescheid vom 15.09.2005 zurückzunehmen und bei der Klägerin ab November 2000 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.
Bei der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft trifft die Versorgungsbehörde eine Statusentscheidung, die generell nur für die Zukunft wirkt. Das beruht nicht in erster Linie darauf, dass über die erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergangenheit nur schwer Feststellungen zu treffen sind. Dem wird schon dadurch Rechnung getragen, dass ein Antragsteller in jedem Fall das Risiko trägt, das eine ausreichende Sachaufklärung zu seinen Gunsten nicht mehr möglich ist. Zu berücksichtigen ist vielmehr auch, dass die Rechtsstellung als schwerbehinderter Mensch mit einem bestimmten GdB sich häufig nur in der Zukunft auf die Gestaltung verschiedener Rechtsverhältnisse auswirken kann, z.B. in einem Arbeitsrechtsverhältnis. Im Interesse des schwerbehinderten Menschen, durch die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht unzumutbar benachteiligt zu werden, ordnet jedoch § 6 Abs. 1 Satz 1 Schwe...