Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Vertragsarztes auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens

 

Orientierungssatz

1. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfen vertragsärztliche Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz nicht daran gehindert werden, ihr Honorar innerhalb von fünf Jahren bis zum Durchschnittsumsatz ihrer Fachgruppe zu steigern. Hat der Vertragsarzt innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums nicht bis zur durchschnittlichen Punktzahl seiner Fachgruppe aufgeschlossen und gilt Gleiches für die Fallzahlen, so kann er auch für die Zukunft nicht von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont bleiben, vgl. BSG Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 5/08 R.

2. Nur ausnahmsweise kann im Wege einer Ausnahmeregelung ein Zuschlag auf das Regelleistungsvolumen in Betracht kommen bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten. Hierzu ist eine Steigerung um mindestens 10 % der Fallzahl des Vorjahresquartals erforderlich.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erhöhung des Regelleistungsvolumens (RLV).

Die Klägerin ist als praktische Ärztin in C, Ortsteil W-N, niedergelassen und seit dem 05.10.1983 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Bescheid vom 08.12.2008 setzte die Beklagte das RLV der Klägerin für das Quartal 1/2009 auf 16.836,64 EUR fest, wobei sie eine individuelle RLV-relevante Fallzahl von 503 zugrunde legte. Die durchschnittliche RLV-relevante Fallzahl der RLV-Arztgruppe belief sich auf 822,5. Diesem Bescheid widersprach die Klägerin unter Hinweis auf einen vor dem Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen (LSG NRW) in dem Rechtsstreit L 11 KA 82/03 (S 33 KA 25/02 SG Düsseldorf) am 28.07.2004 geschlossenen Vergleich, nach welchem ab dem Quartal 2/2004 der Abrechnung der Klägerin der durchschnittliche Punktzahlengrenzwert der Fachgruppe in Höhe von 612.066 Punkten zugrunde zu legen sei. Das RLV, wie es jetzt für sie festgesetzt sei, widerspreche dem Vergleich, wonach ihre Praxis bis zur Durchschnittsgröße der Allgemeinpraxen in Nordrhein wachsen dürfe, und beschränke den Praxiszuwachs.

Mit Bescheid vom 23.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erhöhung/Änderung des RLV ab: Der abgeschlossene Vergleich beinhalte, dass ab dem Quartal 2/2004 der Abrechnung der durchschnittliche Punktzahlengrenzwert der Fachgruppe in Höhe von 612.066 Punkten zugrunde gelegt werde. Damit sei nicht ein uneingeschränktes Wachstum bis zur Durchschnittsgröße der Allgemeinpraxen in Nordrhein im Sinne des Honorarverteilungsvertrages (HVV) verbunden.

Zudem habe auch die ab dem 01.01.2009 geltende Honorarreform zu einer neuen Systematik der Honorarverteilung geführt. Dadurch werde eine andere Beurteilung als bei den Individualbudgets vorgenommen. Gemäß § 6 Abs. 2 HVV werde bei einer Neuzulassung ab dem 01.01.2007 für die Dauer von 12 Niederlassungsquartalen mindestens das arztgruppendurchschnittliche RLV für das jeweilige Quartal zugewiesen, sofern die eigenen Werte oder die eines Praxisvorgängers im Vorjahresquartal nicht bereits diesen Durchschnitt überschritten hätten. Die Klägerin sei bereits seit dem 05.10.1983 niedergelassen, somit liege keine Neuzulassung im Sinne des neuen HVV vor. Darüber hinaus habe auch eine Fallzahlsteigerung in den Jahren 2004 bis 2008 nicht festgestellt werden können.

Hiergegen richtet sich die am 04.11.2009 erhobene Klage.

Die Klägerin trägt vor, der im Juli 2004 geschlossene Vergleich habe ihr eine Steigerungsmöglichkeit bis zum Fachgruppendurchschnitt zugesichert. Eine zeitliche 0bergrenze für diese Wachstumsmöglichkeit sei nicht festgelegt worden. Dies habe darin begründet gelegen, dass mit einem kontinuierlichen, aber langsamen Anstieg der Patientenzahlen zu rechnen gewesen sei. Mit der Umstellung auf das RLV im Jahre 2009 sei sie auf die Fallzahlen der Vorjahresquartale begrenzt worden. Dieses Vorgehen widerspreche dem Vergleich und sei nicht durch die Systemumstellung gerechtfertigt. Die Zweckrichtung der Begrenzung durch Individualbudget und der Begrenzung durch RLV - Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit - sei dieselbe. Die vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Grundsätze zur Berufsausübungsfreiheit behielten daher auch nach der Systemumstellung ihre volle Wirksamkeit.

Danach dürften Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz nicht daran gehindert werden, ihr Honorar innerhalb von fünf Jahren bis zum Durchschnittsumsatz ihrer Fachgruppe zu steigern. Die Festlegung auf die Fallzahlen in 2008 schließe die Klägerin aber faktisch von einer realistischen Wachstumsmöglichkeit aus. Insofern sei zu berücksichtigen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zur Praxis ein Neubaugebiet im Rahmen eines generationsübergreifenden Wohnprojekts mit rd. 500 neuen Einwohnern entstanden sei und weiter entstehe. Besonders im 4. Quartal 2009 sei ein Patientenzuwachs aus diesem Bereich zu verzeichnen, der zu einer Fall...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge