Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung einer Beschäftigung im Ghetto als Beitragszeit
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer sog. Ghettobeitragszeit nach § 1 ZRBG ist die Glaubhaftmachung erforderlich, dass die im Ghetto gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist. Arbeit unter Bewachung spricht für Zwangsarbeit. Bloße Unterhaltssicherung ist kein Arbeitsentgelt.
2. Eine von der Claims Conference erbrachte Entschädigung schließt eine Rente aus Ghetto-Zeiten nach § 16 EVZStiftG aus. Der Ausschluss nach dieser Vorschrift erfasst auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung.
Nachgehend
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1920 in M (M) in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit 1950 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Sie beantragte am 21.01.2003 bei der israelischen Nationalversicherung, eingehend bei der Beklagten am 10.06.2003, die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, sie habe von November 1941 bis Mai 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Lemberg außerhalb des Ghettos in einer Textil-Kooperative Uniformen für das Militär hergestellt. Sie habe 10 bis 12 Stunden täglich gearbeitet. Sie sei auf dem Weg von und zur Arbeit von jüdischer Polizei bewacht worden. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe sie dafür Sonderverpflegung, keinen Barlohn.
Die Beklagte zog die BEG-Vorgänge der Oberfinanzdirektion München bei. Dort hatte die Klägerin 1954 angegeben: "Gleich nach dem Einmarsch der Deutschen und ungefähr 8 Wochen vor meiner ... Umsiedlung ins Judenviertel wurden wir als Juden dem Befehl und Anordnungen des General-Obergruppenführers SS Katzmann zufolge zur Zwangsarbeit in die Webereiwerkstätten der Wehrmacht zwangseingewiesen, wo ich und mein Ehegatte ... bei der Anfertigung von Militäruniformen zwangsbeschäftigt gewesen waren, täglich zur und von der Zwangsarbeitsstelle unter Wehrmachtseskorte und - es war dies bereits nach der Erschießung meines Gatten - seit Ende Dezember 1941 ich unter Eskorte, bestehend aus einem OD-Mann, einem Schupo und einem ukrainischen Milizianten, zur obigen Zwangsarbeitsstelle und nach verrichteter Tages-Zwangsarbeit zurück ins Ghetto geführt worden war und während der Zwangsarbeit ständig bewacht worden war ... Im obigen Ghetto Lemberg war ich bis zum 31. Mai 1943 zwangsgehalten worden, wobei ich Zwangsarbeit seit Mitte Juli 1941 unter haftähnlichen Bedingungen, unter Eskorte und ständiger Bewachung in den Webereiwerkstätten der Wehrmacht in Lemberg bis zum 31. Mai 1943 verrichten musste ..." (so die Angaben der Klägerin von 1954 - Bl. 13, 14 der Rentenakte). Zwei Zeugen bestätigten dies. 1957 erklärte die Klägerin: "In Folge meiner schweren Zwangsarbeit, welche ich stehend 12 bis 14 Stunden lang täglich in den Weberei-Werkstätten Lemberg für die Wehrmacht verrichtet hatte, habe ich mir Krampfadern zugezogen, welche mir die ganze Zeit bis zum heutigen Tage hart zusetzen ..." (Bl. 23 Rentenakte). Eine Zeugin H1 erklärte 1959: "Frau (T1) ... war zusammen mit mir bis Ende Mai 1943 im Ghetto Lemberg inhaftiert gewesen und während ihrer Zwangsarbeit in den Weberei-Werkstätten musste sie schwere Lasten tragen und während ihrer Zwangsarbeit, welche sie stehend verrichten musste, schwollen ihre Beine an und sie klagte über heftige Schmerzen in den Beinen und Füßen. Während unseres gemeinsamen Zwangsaufenthaltes im Ghetto Lemberg erkrankte sie im Oktober 1942 an Bauchtyphus und war 5 Wochen lang im Ghetto-Quartier gelegen und im Jahr 1943 erkrankte sie an Flecktyphus und musste noch mit Fieber zur Zwangsarbeit gehen vor Angst zur Vernichtung verschickt zu werden. In Folge der schlechten und unverdaulichen, mangelhaften Lagerkost verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand immer mehr und als im Sommer 1942 ihr Vater und Anfang 1943 ihre Mutter und Schwester in Vernichtungslager verschickt worden waren, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch ..." (Bl. 25 der Rentenakte). Ein Zeuge T2-T3 erklärte ähnliches (Bl. 26 Rentenakte). In einem medizinischen Gutachten von 1960 heißt es: " ... Nach der Besetzung Lembergs durch die Deutschen im Sommer 1941 musste sie ins Ghetto übersiedeln und schwere Zwangsarbeiten in einer Weberei verrichten; schon damals begannen ihre nervösen Beschwerden ... Auch machte sie in dieser Ghetto-Zeit kurz hintereinander Bauch-, Flecktyphus und Dysentrie durch. Schon im Ghetto litt sie sehr unter Hunger und wurde bei der Arbeit öfters geschlagen ..." (Bl. 36 Rentenakte).
Mit Bescheid vom 23.05.2005 ...