Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen den Zahnarzt aus unerlaubter Handlung bei verschwiegener Rückvergütung
Orientierungssatz
1. Das öffentlich-rechtliche Gefüge des SGB 5 enthält keine abschließende Regelung zur Schadensersatzpflicht mehrerer kollusiv zusammenwirkender Beteiligter zu Lasten einer Krankenkasse. Deshalb ist es geboten, über die ergänzende Anwendung entsprechender Bestimmungen des BGB mögliche Regelungslücken im SGB 5 zu schließen.
2. Der Zahnarzt ist verpflichtet, nachträglich vom Labor bzw. vom ggfs. eingeschalteten Zwischenhändler gewährte Rückvergütungen an die Krankenkasse bzw. an seine Patienten weiterzuleiten. Verschweigt er diese gegenüber der Kasse und behält sie für sich, so hat die Krankenkasse gegen ihn Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 2, 263 StGB i. V. m. § 69 Abs. 1 S. 3 SGB 5.
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 53.533,13 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zzgl. 1.761,08 EUR vorgerichtlicher nicht anrechenbarer Anwaltsvergütung und 20,00 EUR vorgerichtlicher Mahnkosten zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist ein Schadensersatzanspruch wegen der Aufwendungen für Zahnersatz-Leistungen.
Die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der Beklagte ist Zahnarzt und wurde 1989 zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Nordrhein zugelassen.
Mit Urteil vom 30.08.2005 - 34 Kls 80 Js 429/03 - verurteilte das Landgericht (LG) Duisburg den Beklagten wegen Betruges in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den gerichtlichen Feststellungen bezog der Beklagte für seine Praxis von der Fa. H P-E-P D mbH (im Folgenden: Fa. H) Zahnersatz. Für die Geschäftsbeziehung galt ein Rabattsystem, das er mit den Verantwortlichen dieses Unternehmens über einen Außendienstmitarbeiter vereinbart hatte. Danach hatte der Beklagte die Rechnungen der Fa. H, welche die vereinbarten Rabatte nicht auswiesen, in voller Höhe zu bezahlen, erhielt aber nachträglich umsatzbezogene monatliche Rückvergütungen ("Kickbacks") in Höhe von 30 % bzw. 25 % der Nettobeträge oder sollte sie absprachegemäß erhalten. Am Ende jedes Monats oder Anfang des Folgemonats ließ der Beklagte von seinen Angestellten die Behandlungskosten mit der zuständigen KZV Nordrhein und/oder - soweit es Eigenanteile oder Privatleistungen betraf - mit den Patienten abrechnen und die Rechnungen der E zur Erstattung vorlegen. Dabei verschwieg er die mit den Verantwortlichen der Fa. H vereinbarten Rückvergütungen. Die Sachbearbeiter der KZV Nordrhein und die Patienten, welche die Rechnungen beglichen, gingen irrtümlich davon aus, dass der Beklagte die in den Rechnungen angegebenen Preise für den Zahnersatz tatsächlich verauslagt hatte und er deshalb Erstattung verlangen konnte. Sie bezahlten daher die geforderten Beträge. Mit Urteil vom 16.11.2006 - 3 StR 204/06 - änderte der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Urteil im Schuldspruch teilweise dahin ab, dass der Beklagte in 36 der 41 Fälle des banden- und gewerbsmäßigen Betruges schuldig war.
Mit Beschluss vom 15.03.2004 entzog ihm der Zulassungsausschuss wegen dieser Falschabrechnung die vertragszahnärztliche Zulassung; der Berufungsausschuss bestätigte diese Maßnahme mit Beschluss vom 09.11.2004. Rechts- mittel hiergegen blieben in allen Instanzen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 - S 19 KA 3/05 -; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 28.05.2008 - L 11 KA 16/08 -; Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.11.2008 - B 6 KA 59/08 B -).
Die Klägerin macht nunmehr Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den Beklagten geltend. Die KZV Nordrhein habe in Bezug auf den Beklagten einen Gesamt-Kickback in Höhe von ca. 132.761,- EUR ermittelt, von dem ein Anteil in Höhe von ca. 36.908,75 EUR auf die Klägerin entfalle. Diesen Anteil habe die KZV Nordrhein aus laufenden Honoraransprüchen des Beklagten einbehalten und an die Klägerin ausgezahlt. Ihr sei jedoch ein weitergehender, über die KZV Nordrhein nicht ausgeglichener Schaden entstanden, nämlich der "Gewinnanteil", der auf die handelnden Personen der Fa. H entfallen sei. Dieser Anteil sei gemäß § 830 BGB von dem Beklagten in voller Höhe zu fordern. Dabei geht die Klägerin davon aus, dass sie bei korrektem Abrechnungsverhalten des Beklagten nur die Preise nach den sog. "Standardpreislisten" der Fa. H zu zahlen gehabt hätte. Stattdessen habe sie aufgrund des kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Beklagten und den Verantwortlichen der Fa. H die überhöhten Preise nach dem sog. "Komforttarif" bezahlt, obwohl die Leistungen beider Tarife vollständig gleich gewesen seien und d...