Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion. Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (hier: Lymphdrainagegerät). keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation. keine Anwendung des § 13 Abs 3a S 9 SGB 5. Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer fingierten Genehmigung. Beschränkung auf Fälle, in denen die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht vorgelegen haben
Orientierungssatz
1. Bei der Versorgung mit einem Lymphdrainagegerät handelt es sich um eine Versorgung mit einem Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung und damit mit einer therapeutischen Zielsetzung. Diese Versorgung stellt keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation dar, für die gemäß § 13 Abs 3a S 9 SGB 5 die §§ 14ff SGB 9 gelten.
2. Der Widerruf einer Genehmigungsfiktion ist nur für den Fall rechtmäßig, dass die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht vorgelegen haben (Anschluss an zuletzt BSG vom 7.11.2017 - B 1 KR 24/17 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 39 und B 1 KR 15/17 R). Eine entgegenstehende Entscheidung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) in der Weise, dass die Frage des rechtmäßigen Widerrufs ein entscheidungserhebliches Element darstellt, ist nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 34 RdNr 50ff hat das Gericht die Sprungrevision zugelassen.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 24.01.2017 und 13.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2017 verurteilt, die Kosten für ein Lymphdrainagegerät - lympha-mat 300 mit 12-Kammer-System und Ganzbeinmanschetten - zu übernehmen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten auferlegt.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einem Lymphdrainagegerät und insoweit insbesondere über die Frage des Eintritts einer Genehmigungsfiktion.
Die …. geborene Klägerin ist im Gesundheitswesen mit einer überwiegend stehenden Tätigkeit im Schichtdienst berufstätig (Krankenhausstation für Frühgeborene).
Sie ist an einem Lipödem mit Lymphödem (hereditäres Lipo-Lymphödem Grad II) beiderseits erkrankt.
Mit der Vorlage der ärztlichen Verordnung des Dr. B…. vom 16.09.2016 und des Kostenvoranschlags vom 21.09.2016 (eingegangen per Fax bei der Beklagten am 22.11.2016) beantragte für die Klägerin das Sanitätshaus ……… die Versorgung mit dem Lymphdrainagesystem lympha-mat 300,12-Kammer-System und zwei Ganzbeinmanchetten (Kosten: 3.345,09 €). Dieser Antrag ging bei der Beklagten am 22.11.2016 per Fax ein und wurde von dieser am 24.11.2016 dem Sozialmedizinischen Dienst (SMD) zur Begutachtung der medizinischen Notwendigkeit vorgelegt. Der SMD erbat unter dem 28.11.2016 weitere Informationen zur erfolgten Behandlung und kam am 05.01.2017 zu der Einschätzung, dass aus medizinischer Sicht das verordnete Hilfsmittel nicht notwendig sei, da bereits eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung erreicht sei. Er empfiehlt die Fortführung der manuellen Lymphdrainage.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 24.01.2017 ab. Bezugnehmend auf den Antrag vom 16.09.2016 müsse sie leider mitteilen, dass die Kosten für das Lymphdrainagegerät nicht übernommen werden könnten.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie die medizinische Notwendigkeit der erfolgten Verordnung geltend machte. Bei überwiegend stehender Tätigkeit im Gesundheitswesen hätte sie trotz des täglichen Tragens von Kompressionsstrumpfhosen Schmerzen in den Beinen. Durch kurzfristige Dienstplanungen im Schichtdienst seien öfter Termine für manuelle Lymphdrainage nicht realisierbar und könne somit die medizinisch notwendige manuelle Lymphdrainage nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt werden.
Nach entsprechender Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 20.03.2017) erteilte die Beklagte den Bescheid vom 13.04.2017, mit dem sie die Rücknahme der fiktiven Genehmigung vom 13.12.2016 über einen Lymphamat mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 45 SGB X verfügte. Die fiktive Genehmigung sei rechtswidrig, da sie nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimme. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Versorgung mit einem Lymphamat , da diese Versorgung nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V entspreche. Diese Auffassung sei vom Sozialmedizinischen Dienst in seiner Stellungnahme vom 05.01.2017 bestätigt. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der fiktiven Genehmigung könne sich die Klägerin nicht berufen. Denn ein Leistungsverbrauch oder Vermögensdispositionen im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X lägen nicht vor. Ebenso hätte das Vertrauen nicht mehr bestehen können, nachdem der Antrag mit Bescheid vom 24.01.2017 abgelehnt wurde. Die Ermessensprüfung habe ergeben, dass Gründe, die die Versorgung mit einem Lymphamat rechtfertigen, nic...