Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktion der Genehmigung eines vom Versicherten gestellten Leistungsantrags bei Versäumung der Bescheidungsfrist durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Hat die Krankenkasse bei einem vom Versicherten gestellten Leistungsantrag die Bescheidungsfrist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB 5 nicht eingehalten, durfte dieser die begehrte Leistung für erforderlich halten und liegt dies nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung, so gilt die Leistung nach Ablauf der Frist nach Abs. 3a S. 6 als genehmigt.

2. Die Liposuktionsbehandlung - Fettabsaugung - gehört zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

3. Die Rechtmäßigkeit der fingierten Genehmigung beurteilt sich allein nach der Erfüllung der Voraussetzungen aus § 13 Abs. 3a SGB 5, nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 sowie des Bescheides vom 22.09.2016 verurteilt, der Klägerin die Kosten für die zwei selbstbeschafften Liposuktionsbehandlungen vom 11.10.2016 und 01.02.2017 in Höhe von 9.180,47 Euro zu erstatten und zwei weitere Liposuktionen der Arme und Beine unter vollstationären Bedingungen als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen erstattungsfähigen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine stationäre und eine ambulante Liposuktion der Beine sowie die Versorgung mit zwei weiteren stationären Liposuktionsbehandlungen von Armen und Beinen. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere der Eintritt und der Bestand einer Genehmigungsfiktion streitig.

Die 1979 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Dort beantragte sie am 07.07.2016 eine Liposuktion und legte dem Antrag eine Bescheinigung der L E - G-O-Krankenhaus bei, aus der als Diagnose ein Lipödem der oberen und unteren Extremität hervorging und als Therapie die wasserstrahlassistierte Liposuktion in mehreren Sitzungen (4-5), stationär, vorgeschlagen wurde. Mit Schreiben vom 18.07.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zur fachkundigen Beratung über den Antrag den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingebunden habe und sich die Bearbeitungsfrist daher nach § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auf fünf Wochen verlängere. Mit einem weiteren Schreiben vom 18.07.2016 bat die Beklagte die Klägerin um Rückruf, weil sie zur Bearbeitung des Antrags deren Hilfe benötige.

Am 25.07.2016 reichte die Klägerin unter Bezugnahme auf ein geführtes Telefonat mit der Beklagten ihren Gewichtsverlauf und einen Bericht des behandelnden Lymphologen ein. Unter dem 15.08.2016 gab der MDK seine sozialmedizinische Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom 18.08.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Einhaltung der 5-Wochen-Frist nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 26.08.2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine Liposuktion sei in der Regel auch ambulant durchführbar. Die ambulante Liposuktion sei aber zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht möglich, da es insoweit an einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) fehle. Es komme aber eine intensivierte konservative Therapie zur Linderung der Beschwerdesymptomatik in Betracht.

Mit der am 29.08.2016 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Feststellung begehrt, dass der Antrag auf Gewährung einer mehrzeitigen Liposuktionsbehandlung der oberen und unteren Extremitäten als Sachleistung als genehmigt gelte.

Sie legte zudem am 03.09.2016 gegen den ablehnenden Bescheid vom 26.08.2016 Widerspruch ein.

Am 22.09.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Genehmigungsfiktion am 11.08.2016 eingetreten sei. Diese werde aber gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen. Es handele sich bei der fiktiven Genehmigung um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt, auf dessen Bestehen die Klägerin habe nicht vertrauen dürfen, da sie bereits bei Antragstellung darauf hingewiesen worden sei, dass es sich bei der beantragten Liposuktionsbehandlung nicht um eine übliche Kassenleistung handele. Sie sei auch darüber informiert worden, dass der MDK eingeschaltet werde und habe davon ausgehen müssen, dass ohne Beratungsergebnis des MDK auch keine Kostenzusage erfolgen würde. Da die beantragte Behandlung sozialmedizinisch nicht notwendig sei, werde die Genehmigungsfiktion in sachgerechter Ermessensausübung aufgehoben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 26.08.2016 als unbegründet zurück unter Hinweis auf die fehlende sozialmedizinische Erforderlichkeit.

Die Klägerin hat daraufhin am 17.11.2016 die ursprünglich als Feststellungsklage erhobene Klage auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt, mit der sie die Aufhebung des Ablehnungsbescheides in Gestalt des ...

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