Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsnachforderung für einen Leiharbeitnehmer aufgrund des Equal-pay-Prinzips
Orientierungssatz
1. Existiert keine wirksame tarifliche Regelung für die Entlohnung eines Leiharbeitnehmers, so hat der Arbeitgeber diesem nach § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG ein ebenso hohes Arbeitsentgelt zu zahlen, wie einem vergleichbaren Arbeitnehmer aus der Stammbelegschaft des Entleihers. Aus einem etwaigen Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Zahlung eines höheren Entgelts resultiert die Beitragsnachforderung des Rentenversicherungsträgers.
2. Für die Entstehung des Beitragsanspruchs ist es nicht von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zahlung eines höheren Entgelts auch tatsächlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht. Beiträge werden nur auf das geschuldete, nicht aber auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt erhoben, vgl. BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R.
3. Die Vorschrift des § 22 SGB 4 stellt klar, dass Beitragsansprüche nicht erst durch Konkretisierung mittels eines Beitrags-Verwaltungsaktes entstehen, sondern bereits mit Vorliegen der normierten Voraussetzungen.
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.02.2012 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeitsbranche. In dem streitgegenständlichen Zeitraum verwies die Antragstellerin in den Arbeitsverträgen von ihr entliehener Arbeitnehmer auf den mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalagenturen (CGZP) geschlossenen Tarifvertrag. Vertragsparteien dieses Tarifvertrages waren neben der CGZP der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e.V. (BVD) und der Arbeitgeberverband Mercedarius.
Mit Beschluss vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Antrag von Ver.di und dem Land Berlin die Tarifunfähigkeit der CGZP. Diese war vorinstanzlich bereits vom Arbeitsgericht Berlin (Beschluss vom 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08) und dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 07.12.2009, Az. 23 TaBV 1016/09) angenommen worden.
In der Folgezeit führte die Antragsgegnerin bei den davon betroffenen Zeitarbeitsunternehmen nach entsprechender Ankündigung Betriebsprüfungen durch. Dies geschah in der Zeit vom 14.09.2011 bis zum 26.01.2012 auch im Falle der Antragstellerin. Geprüft wurde der Zeitraum vom 01.12.2008 bis zum 31.12.2009. Zu dem Ergebnis der Prüfung wurde die Antragstellerin unter dem 30.01.2012 angehört.
Mit Bescheid vom 29.02.2012 forderte die Antragsgegnerin dann Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 112.388,62 Euro nach. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge zur Folge. Den betroffenen Arbeitsnehmern würde daher in Anwendung des § 10 Abs.4 AÜG derselbe Lohn zustehen, wie der Stammbelegschaft; demzufolge seien auch höhere Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten. Die Gesamtbeitragsforderung basiere auf einer Schätzung jeweils auf der Grundlage von Beschäftigungsgruppen je nach Entleiherbranche, dem gruppenspezifischen Bruttolohn pro Kalenderjahr, bereinigt um verleihfreie Zeiten, Urlaub etc., verifiziert durch Stichproben und einer Lohnbestandsbetrachtung im Verhältnis zu den tatsächlichen Entgelten vergleichbarer Arbeitsnehmer. Als Zahlungsfrist wurde der drittletzte Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt, gesetzt. Binnen dieser Frist seien die Beiträge an die zuständige Einzugsstelle zu zahlen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin am 13.03.2012 Widerspruch und beantragte, die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, eine Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen dürfe nicht erfolgen, da das BAG die Unwirksamkeit des Tarifvertrages nur ex nun festgestellt habe, nicht aber für die Zeit vor dem 14.12.2010. Selbst wenn die Tarifunfähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit festgestellt werden würde, führe dies nicht automatisch dazu, dass für vergangene Zeiträume nachträglich Beiträge auf der Grundlage eines erhöhten Entgeltes festgesetzt werden können. Die Antragstellerin habe auf die Wirksamkeit des einbezogenen Tarifvertrages vertraut und ihr Geschäft darauf aufgebaut; insbesondere habe sie auf dieser Grundlage Stundenverrechnungssätze mit ihren Kunden vereinbart. Nachträglich könne sie die nachgeforderten Beiträge nicht auf die Kunden umlegen bzw. einen anderen Tarifvertrag anwenden.
Die Antragsgegnerin lehnte die Aussetzung ab und leitete den Antrag als Antrag auf Stund...