Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anordnungsgrund für Grundsicherungsleistungen bei fehlender Einbeziehung der Kinder, bei Mietrückständen ohne Kündigung und bei Leben ohne Einkünfte. Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts bei der Anwendung von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II (juris: SGB 2
Orientierungssatz
1. Ein Anordnungsgrund fehlt, wenn bei individuellen Sozialansprüchen nicht für jedes Kind der Anspruch selbständig geltend gemacht wird.
2. Ein Anordnungsgrund fehlt, wenn bei Mietrückständen keine Kündigung droht.
3. Kein Anordnungsanspruch bei Sicherstellung des Lebensunterhalts ohne Einkünfte und Inanspruchnahme öffentlicher Mittel mit Ausnahme des Kindergeldes.
4. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts bei der Anwendung von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II (juris: SGB 2) muss bereichsspezifisch dahin ausgelegt werden, dass ein prognostisch auf Dauer gesicherter Aufenthalt zu fordern ist, der ein Erreichen des Regelungszieles des SGB II (juris: SGB 2) - Beseitigung der Bedürftigkeit durch die Aufnahme einer Tätigkeit mit existenzsicherndem Ertrag - vgl. § 1 Abs 1 SGB II (juris: SGB 2)-, ungefährdet erscheinen lässt (Anschluss: LSG Essen, Beschluss vom 22. Juni 2012, L 19 AS 845/12 B ER).
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie lebt mit ihren drei Kindern E. (geboren am 16.11.20xx), R. (geboren am 23.03.20xx) und Rx (geboren am 21.08.20xx) in D., S.-straße xx. Mieter der 85 qm großen und 550,00 EUR teuren 4 Zimmer-Wohnung sind laut Mietvertrag die Antragstellerin und ihr ehemaliger Lebensgefährte E. A ...
Nach eigenen Angaben reiste die Antragstellerin im Februar 20x zur Arbeitssuche nach Deutschland ein. Weil sich ihr Lebensgefährte, der ebenfalls bulgarischer Staatsangehöriger und hier in Deutschland als selbständiger Bauhelfer tätig ist, von ihr trennte, beantragte sie bei der Stadt D. zunächst Sozialhilfe. Die Stadt D. lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 21.12.2012 ab und verwies die Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB II. Daher beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin für sich und ihre 3 Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die Leistungsakte der Antragsgegnerin enthält als ersten dokumentierten Vorsprachetermin einen Verbis-Vermerk vom 22.01.2013.
Bereits am 11.01.2013 ging bei Gericht der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ein. Darin beantragt der Prozessbevollmächtigte allein für die Antragstellerin die vorläufige Leistungsgewährung nach dem SGB II. Zur Begründung führt er aus, das Arbeitslosengeld II sei im Rahmen der Gleichbehandlung der Unionsbürger zu gewähren. Die Antragstellerin sei bei ihrer Einreise nach Deutschland im Februar 2011 schwanger gewesen, so dass sie ihre Absicht, als Zimmermädchen im Hotel zu arbeiten, nicht mehr habe realisieren können. Sie habe aber im Gewerbe des Lebensgefährten mitgeholfen. Die Antragstellerin sei dringend auf die Leistungen angewiesen, weil ihr Lebensgefährte sie nach der Trennung nicht mehr versorge, so dass nur das Kindergeld zur Verfügung stünde, kein Krankenversicherungsschutz bestünde und die Miete nicht mehr gezahlt werden könne. Daher drohe Obdachlosigkeit. Zur Glaubhaftmachung legt er eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vom 21.12.2012 und ein Schreiben des Vermieters vom 21.01.2013 vor, wonach seit Oktober 2012 keine Miete mehr gezahlt worden sei, sodass seit 4 Monaten Mietrückstand bestünde und die Kündigung ausgesprochen würde, wenn die Mieten nicht innerhalb von 2 Wochen gezahlt würden.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin umgehend Leistungen nach dem SGB II unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren
und ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II einer Leistungsbewilligung an die Antragstellerin entgegen stehe. Ausgenommen vom Leistungsausschluss seien lediglich Arbeitnehmer und Selbständige sowie Personen, die aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt seinen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Ein Nachweis darüber, dass die Antragstellerin den Status einer Arbeitnehmerin oder einer Selbständigen erworben habe, liege nicht vor. Ebenso fehle es an einem Nachweis, dass sich die Antragstellerin nicht allein zum Zwecke der Arbeitssuche in der Bundesrepublik aufhalte, so dass ein Leistungsanspruch nicht ersichtlich sei.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 23.01.2013 hat das Gericht die Antragstellerin auf die Beschlüsse des LSG NRW vom 22.06.2012, L 19 AS 845/12 B ER und L 19 AS 846/12 B ER (insbesondere Rn. 37 ff nach juris) und vom 20.08.2012, L 12 AS 531/12 B ER sowie den Beschluss des LSG Berlin Brandenburg vom 10.05.2012 mit Verweis auf das Urteil des BSG vom 19.10.2010 B...