Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Antragsbefugnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen einen Grundsicherungsbescheid bei einer Bedarfsgemeinschaft. Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage bei wegen Fristversäumnis unzulässigem Widerspruch

 

Orientierungssatz

1. Soll bei einer Bedarfsgemeinschaft aus Eltern und minderjährigen Kindern ein sozialgerichtliches Eilverfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen aus Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende auch für die Kinder geltend gemacht werden, müssen diese selbst Partei des Verfahrens werden und eigene Anträge stellen. Die Annahme einer konkludenten Vertretung durch die Eltern bei einer Antragstellung lediglich im eigenen Namen der Eltern kommt insoweit nicht in Betracht.

2. Wurde ein Widerspruch gegen einen Sozialleistungsbescheid zu Recht wegen Fristversäumnis als unzulässig zurückgewiesen, kann auch die Klage gegen den Widerrufsbescheid keinen Erfolg haben.

3. Wurde ein Widerspruch gegen eine Erstattungsforderung aus überzahlter Sozialleistung (hier: Grundsicherung für Arbeitsuchende) verfristet eingereicht und kann der damit offensichtlich unzulässige Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfalten, so kommt auch der nach Zurückweisung des Widerspruchs formal fristgerecht erhobenen Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung mehr zu.

 

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsgegner trägt keine außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Die alleinerziehende Antragstellerin bezieht zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft von dem Antragsgegner laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II].

Mit Bescheid vom 22.05.2019 erklärte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin und ihren Kindern die Aufhebung der Bewilligungen für den Monat August 2018 über insgesamt 1.325,96 EUR, forderte die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft jeweils zur Erstattung ihrer individuellen Rückzahlungsanteile auf (bzgl. der Antragstellerin betrifft dies 766,16 EUR) und erklärte die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder ab dem 01.07.2019. Der Bescheid, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, ist der Antragstellerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 24.05.2019 zugestellt worden.

Mit Email vom 21.07.2019 erhob die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ein Gespräch vom 15.07.2019 Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.05.2019. Dem Widerspruch fügte die Antragstellerin eine Krankenhausabrechnung über einen stationären Aufenthalt vom 02.05.2019 bis zum 06.05.2019 und ein nicht datiertes ärztliches Attest über einen Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich, Schwindel, Kopfschmerzen und epigastrische Schmerzen mit starken gastroindestinalen Beschwerden bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2019 wies der Antragsgegner den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig zurück. Im Übrigen wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Mit auf den 08.07.2019 datiertem Schreiben, das beim SG in D. am 09.08.2019 eingegangen ist, hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, sie habe am 21.06.2019 Widerspruch gegen die Aufrechnung vom 22.05.2019 erhoben, welcher bedingt durch ihren stationären Aufenthalt im Mai 2019 erst am 15.07.2019 gelesen worden sei. Insofern "liegt es noch in der 4-Wochen-Frist und hat somit seine Gültigkeit." Sie widerspreche dem Widerspruchsbescheid vom 25.07.2019. Ganz abgesehen davon dass die Aufrechnung gegen Recht und Gesetz verstoße, bedeute sie eine besondere Härte für die Familie und sei von ihr nicht verschuldet. Nach § 43 SGB II dürfe gegenüber Kindern nicht aufgerechnet werden.

Die Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz vom 08.07.2019,

den Erstattungsanspruch des Antragsgegners vom 22.05.2019 aufzuheben; Rückerstattung 272,00 EUR für Juli und August; der Schulbedarf ist wie vor da und somit nicht zu erstatten.

Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 15.08.2019,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass der Widerspruch unzulässig gewesen sei. Die Aufrechnung nach § 43 SGB II sei zudem rechtmäßig erfolgt. Es sei keine Eilbedürftigkeit gegeben. Der Antragstellerin würden ausreichend Leistungen nach dem SGB II verbleiben um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Die Antragstellerin hat zum Eilverfahren eine Email vom 28.07.2019 an die Antragsgegnerin eingereicht, nach der diese es unterlassen solle trotz des laufenden Widerspruchsverfahrens Leistungsabzüge vorzunehmen.

Die Antragstellerin hat gegen den Widerspruchsbescheid vom 25.07.2019 am 23.08.2019 zum Aktenzeichen S 49 AS xxxx/19 für sich und ihre dort namentlich benannten Kinder Hauptsacheklage vor dem SG in D. erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte des Antragsgegners Bezug genommen. Diese Inhalte sind Gegenstand der Entscheidung gewesen...

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