Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsanspruch von EU-Ausländern bei langjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet. Tätigkeit als Straßenmusiker als niedergelassene selbständige Erwerbsarbeit

 

Orientierungssatz

1. Für EU-Ausländer, die sich seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und damit ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Freizügigkeitsgesetz besitzen, kommt eine Anwendung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 2 SGB 2 nicht in Betracht, da sich ihr Aufenthaltsrecht nicht auf die Arbeitsuche beschränkt. Dabei ist der betroffene Ausländer nicht verpflichtet, dem Grundsicherungsträger die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes durch eine Bescheinigung der Ausländerbehörde nachzuweisen, da insoweit jedenfalls bei einem freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländer von einem rechtmäßigen Aufenthalt grundsätzlich ausgegangen werden kann.

2. Die Tätigkeit eines EU-Ausländers als Straßenmusikant innerhalb des Bundesgebietes ist als niedergelassene selbstständige Erwerbstätigkeit anzusehen, so dass auch insoweit eine Anwendung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 2 SGB 2 nicht in Betracht kommt.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II für den Zeitraum 28.06.2013 bis 28.12.2013, längstens jedoch bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren mit ihrem am 28.06.2013 gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II-ALG II) auf der Grundlage des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Die 1991 geborene Antragstellerin zu 1, ihr 1996 geborener Ehemann, der Antragsteller zu 2) und ihre am 06.12.2011 geborene Tochter, die Antragstellerin zu 3), sind bulgarische Staatsangehörige.

Die noch minderjährige Antragstellerin zu 1) lebt seit dem 04.02.2008 in Deutschland und ist zusammen mit ihren Eltern eingereist. Ihr Ehemann reiste am 29.11.2009 in die Bundesrepublik ein. Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) sind seit dem 15.05.2013 verheiratet. Am 06.12.2011 wurde die gemeinsame Tochter geboren.

Die Antragstellerin zu 1) ist derzeit Hausfrau und bezieht keinerlei Einkommen. Ausweislich des Schreibens der Bundesagentur für Arbeit vom 18.01.2013 ist der Antragstellerin zu 1) kraft Gesetzes die Ausübung jeder Beschäftigung erlaubt. Der Antragsteller zu 2) ist als Straßenmusikant tätig und erzielt ein Einkommen von ca. 500 EUR monatlich. Die Antragstellerin zu 3) erhält monatlich 184 EUR Kindergeld.

Die Antragsteller wohnen zusammen mit den Eltern der Antragstellerin zu 1) und ihren beiden Brüdern in einer Wohnung auf der H.-straße in D ... Die Miete für die Wohnung beträgt 550 EUR, wovon auf die Antragsteller ein Betrag von 200 EUR entfällt.

Die Antragsteller haben einen Antrag auf Leistungen gestellt, spätestens mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 28.06.2013. Bislang ist über den Antrag nicht entschieden worden. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des Verfahrens weitere Ermittlungen angestellt, um den aufenthaltsrechtlichen Status der Antragstellerin zu 1) feststellen zu können und hierzu auch eine entsprechende Anfrage an das Ausländeramt gerichtet, die allerdings bis zum heutigen Tage nicht beantwortet worden ist.

Am 28.06.2013 haben die Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie tragen vor, dass der Leistungsausschluss des §§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vorliegend nicht eingreife. Einerseits sei davon auszugehen, dass der Leistungsausschluss für bulgarische Staatsangehörige aufgrund des sog. Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar sei. Andererseits verfüge die Antragstellerin zu 1) aufgrund ihres fünfjährigen Aufenthaltes in Deutschland über ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4 a Freizügigkeitsgesetz/EU und der Antragsteller zu 2) sei als Straßenmusikant selbstständig. Die Bedarfsgemeinschaft verfüge lediglich über ein monatliches Kindergeld i.H.v. 184,00 EUR sowie monatliche Einnahmen des Antragstellers zu 2) i.H.v. ca. 500,00 EUR und müsse 200 EUR Miete bei den Eltern bezahlen. Weitere Einkünfte oder Vermögen seien nicht vorhanden, so dass die Antragsteller hilfebedürftig seien.

Die Antragsteller beantragen,

der Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Antragstellerin zu 1) im Rahmen des Familiennachzugs in die Bundesrepublik eingereist sei und festgestellt werden müsse, ob sich die Antragstellerin zu 1) auf ...

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