Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsausschluss für Ausländer. Anspruch auf Sozialhilfeleistungen bei einem wirksamen Leistungsausschluss hinsichtlich der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende

 

Orientierungssatz

1. Auf ein Freizügigkeitsrecht zum Familiennachzug, dass auch den Anwendungsbereich der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bei einem Ausländer eröffnet, kann sich ein Ausländer nicht berufen, wenn sein aufenthaltsberechtigter Ehegatte Angehöriger eines nicht vom Freizügigkeitsabkommen/EU gehörenden Drittstaates ist (hier: Türkei). Ein allgemeines Aufenthaltsrecht zum Familiennachzug scheitert dabei im Übrigen an der Notwendigkeit eines gesicherten Lebensunterhalts als Erteilungsvoraussetzung.

2. Scheidet der Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende aus, da der Leistungsausschluss für Ausländer zum Tragen kommt, besteht auch kein Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB 12. Das gilt allerdings bei einem Wegfall der Erwerbsfähigkeit (hier: wegen Schwangerschaft und Mutterschaft) jedenfalls nicht für die Übernahme von Kosten der Krankenbehandlung durch den Sozialhilfeträger.

3. Einzelfall zur Anwendung des Leistungsausschlusses für Ausländer im Rahmen der Grundsicherungsleistungen (hier: Leistungsausschluss wegen Vorliegens eines alleinigen Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche bejaht).

 

Tenor

1. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um das Bestehen bzw. die Höhe eines Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), hilfsweise nach dem Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Die 22jährige Antragstellerin zu 1) ist bulgarische Staatsangehörige. Sie lebt sei zwei Jahren in Deutschland. Sie ist weder im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung, noch eines sonstigen Aufenthaltstitels oder einer Arbeitserlaubnis. Unter dem 13.6.2008 meldete die Antragstellerin zu 1) in Düsseldorf ein Reinigungsgewerbe an. Nachdem ihr Hauptauftraggeber seinen Auftrag kündigte, gab sie den Betrieb des Gewerbes ausweislich der Gewerbeabmeldung vom 7.12.2009 zum 28.7.2008 auf. In der Zeit zwischen Betriebsaufgabe und Gewerbeabmeldung bemühte sich die Antragstellerin erfolglos um neue Aufträge.

Die Antragstellerin zu 1) ist schwanger, voraussichtlicher Entbindungstermin ist der 27.7.2010.

Seit dem 26.11.2009 ist die Antragstellerin zu 1) in Duisburg gemeldet, zusammen mit ihrem Ehemann, einem 37jährigen türkischen Staatsangehörigen, dem Antragsteller zu 2). Die Ehe wurde unter dem 27.8.2009 in der Türkei geschlossen.

Der Antragsteller zu 2) lebt seit 1984 in der Bundesrepublik Deutschland und ist im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels. Er war bis zur Betriebsaufgabe im September 2009 selbständig tätig als Estrichleger. Dieses Gewerbe meldete er unter dem 7.12.2009 wegen mangelnder Aufträge ab.

Die Antragsteller bewohnen in Duisburg eine 52 qm große Zweizimmerwohnung zu einer Warmmiete in Höhe von EUR 405,00, die sich zusammensetzt aus EUR 270,00 an Grundmiete, EUR 65,00 an Heizkosten und EUR 70,00 an Nebenkosten. Die Antragsteller verfügen weder über ein eigenes Einkommen noch über Vermögen. Sie haben eidesstattlich versichert, derzeit vom Bruder des Antragstellers zu 2) unterstützt zu werden. Das Konto der Antragstellerin zu 1), auf das auch die Grundsicherungsleistungen an den Antragsteller zu 2) gezahlt werden, wies unter dem 26.2.2010 einen Kontostand von EUR 488,77 auf.

Unter dem 27.11.2009 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin Grundsicherungsleistungen. Aufgrund vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 2.2.2010 bewilligte die Antragsgegnerin lediglich dem Antragsteller zu 2) Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab Antragstellung bis einschließlich zum 31.5.2010. Seit dem 1.12.2009 erhält der Antragsteller zu 1) danach monatlich von der Antragsgegnerin einen Betrag in Höhe von EUR 525,50 bestehend aus einer Regelleistung in Höhe von EUR 323,00 und der Hälfte der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung der Antragsteller in Höhe von EUR 202,50.

Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller über ihre Prozessbevollmächtigte unter dem 10.2.2010 Widerspruch ein. Sie trugen unter anderem vor, dass die Antragsgegnerin den Ausschluss der Antragstellerin zu 1) von den Grundsicherungsleistungen nicht begründet habe.

Die zuständige Sachbearbeiterin bei der Antragsgegnerin forderte die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller unter dem 4.3.2010 auf, für die Antragstellerin zu 1) bei der Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel zu beantragen.

Mit ihrem unter dem 4.3.2010 bei Gericht eingegangen Gesuch um einstweiligen Rechtsschutz begehrt die Antragstellerin zu 1) die Antragsgegnerin, hilfsweise die Beigeladene, zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen zu verpflichten. Die Antragstellerin zu 1) sei erwerbsfähig, ihr sei von der Bundesagentur ohne weiteres eine Arbeitserlaubnis...

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