Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. keine Übernahme der Unterkunftskosten zwecks Erhaltung der Wohnung eines Strafgefangenen. künftige Mietzahlungen nach § 67 SGB 12. unbestimmter Rechtsbegriff der "besonderen Lebensverhältnisse". keine besonderen sozialen Schwierigkeiten. keine Übernahme von Mietschulden gem § 34 SGB 12 während U-Haft

 

Orientierungssatz

1. Sitzt ein Hilfebedürftiger in Untersuchungshaft (U-Haft), hat er keinen Anspruch auf Übernahme der fälligen und künftigen Mietzahlungen gem §§ 19, 27 Abs 1 und 29 SGB 12, weil die Unterkunftskosten nicht dem aktuellen Bedarf an einer Unterkunft, sondern der Erhaltung der Unterkunft bis zum Zeitpunkt der Haftentlassung dienen.

2. Ein Rechtsanspruch auf Übernahme künftiger Mietzahlungen ergibt sich aus § 67 Abs 1 S 1 SGB 12. Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Lebensverhältnisse wird in § 1 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (juris: BSHG§72DV 2001) konkretisiert. Danach bestehen besondere Lebensverhältnisse bei Personen, die aus einer geschlossenen Einrichtung entlassen werden. Dies betrifft auch die Entlassung aus der Haft (vgl LSG München vom 17.9.2009 - L 18 SO 111/09 B ER). .

3. Schwierigkeiten, bei bestehenden Mietschulden neuen Wohnraum anzumieten, stellen keine besonderen sozialen Schwierigkeiten iS des § 67 Abs 1 S 1 SGB 12 dar, sondern Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 4.5.2010 - L 23 SO 46/10 B ER).

4. Bei der Übernahme von Mietschulden nach § 34 Abs 1 S 1 SGB 12 steht es im Ermessen des zuständigen Sozialhilfeträgers zu bestimmen, ob und in welchem Umfang eine Übernahme der Miete erfolgt. Regelmäßig kann die Miete während der Verbüßung einer Resthaftzeit von bis zu sechs Monaten übernommen werden.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der Miete während der Zeit seiner Untersuchungshaft (U-Haft).

Der 1972 geborene Kläger erhielt bis zum Antritt seiner U-Haft am 03.03.2009 Arbeitslosengeld II (Alg II). Nachdem das Job Center Duisburg die Übernahme der Kosten der Unterkunft während der Zeit der U-Haft abgelehnt hat, beantragte der Kläger am 03.04.2009 bei der Beklagten die Übernahme der Miete bis zu seiner Haftentlassung. Er legte eine Bescheinigung der JVA Duisburg vor, wonach der Haftentlassungstermin offen ist.

Mit Bescheid vom 05.05.2009 und Widerspruchsbescheid vom 27.08.2009 lehnte die Beklagte die Übernahme der Miete nach § 34 SGB XII mit der Begründung ab, dass diese lediglich für eine kurzfristige Haft bei zu 3 Monaten übernommen werden könne. Vorliegend sei das Haftende jedoch nicht absehbar. Darüber hinaus drohe auch keine Wohnungslosigkeit. Dies läge nicht bereits vor, wenn der Verlust der konkret angemieteten Wohnung drohe, sondern erst dann, wenn nach der Haftentlassung nicht rechtzeitig zumutbarer Ersatz gefunden werden könne. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich. Darüber hinaus könne der Kläger die Hilfe der Fachstelle für Wohnungsnotfälle in Anspruch nehmen.

Mit seiner am 08.09.2009 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass die Ermessenerwägungen der Beklagten nicht sachgerecht seien. Der Begriff "kurzfristig" werde in der genannten Vorschrift gar nicht erwähnt. Darüber hinaus sei es der U-Haft geradezu immanent, dass deren Dauer nicht absehbar sei. Er sei am 15.09.2009 aus der U-Haft entlassen worden und in seine Wohnung zurückgekehrt. Die Miete sei sodann wieder vom Job Center übernommen worden. Es habe sich lediglich um eine etwas über 6monatige Haftdauer gehandelt, in der Mietrückstände für die Zeit von April bis September 2009 in Höhe von 2.118,00 Euro aufgelaufen seien. Die Miete für März 2009 sei noch vom Job Center übernommen worden. Der Vermieter habe das Mietverhältnis während der Zeit der U-Haft gekündigt. Er habe jedoch mit dem Vermieter vereinbart, zunächst das vorliegende Verfahren abzuwarten, bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden. Aktuell verbüße er seine Strafhaft. Die Wohnung sei daher gekündigt und anderweitig vermietet worden. Die von der Beklagten zu Grunde gelegten Richtlinien des Ministeriums für Gesundheit und Soziales des Landes NRW seien vorliegend nicht einschlägig, da sie § 22 SGB II betreffen. Außerdem gelte § 67 SGB XII (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2009 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.04.2009 bis 30.09.2009 die angefallene Miete in Höhe von 2.118,00 Euro zu übernehmen,

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig. Laut den Richtlinien des Ministeriums für Gesundheit und Soziales des Landes NRW seien kurzfristige Abwesenheitszeiten, also Zeiträume bis maximal drei Monate, zu berücksichtigen. Vorliegend sei das Ende der U-Haft zunächst nicht absehbar gewesen und h...

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