Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Abgrenzung einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Wird im Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers die Zahlung eines festen monatlichen Honorars, ein Zuschuss zu den Kosten einer Krankenversicherung, eine Fortzahlung des Honorars im Krankheitsfall sowie eine festgelegte arbeitstägliche Arbeitszeit vereinbart, stellen diese Vereinbarungen arbeitnehmertypische Regelungen dar, die die Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung begründen.

2. Übt ein Gesellschafter einer GmbH die Geschäftsführertätigkeit dieser Gesellschaft aus, so ist jedenfalls dann von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen, wenn der Geschäftsführer in seiner Handlungsbefugnis auf Handlungen beschränkt ist, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt und er zudem Weisungen durch die Gesellschafterversammlung unterliegt, ohne dass er diese durch eine Sperrminorität verhindern kann. Auf einen tatsächlichen Gebrauch des Weisungsrechts durch die Gesellschafterversammlung kommt es dabei nicht an.

3. Eine Sperrminorität des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH, welche die Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt, ist nur dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter jede Form einer Weisung durch die Gesellschafterversammlung effektiv verhindern kann. Verfügt er zwar über eine Sperrminorität, sieht der Gesellschaftervertrag aber einen Mechanismus vor, Pattsituationen unter Zuhilfenahme weiterer Gremien aufzulösen, auf die der Gesellschafter keinen Einfluss hat, liegt eine ausreichende Sperrminorität nicht vor.

4. Einzelfall zur Einordnung des Anstellungsverhältnisses eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (hier: Sozialversicherungspflicht bejaht).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Frage, ob die Klägerin ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin für die Beigeladene in der Zeit vom 01.01.2012 bis zum 27.05.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder als Selbständige ausübte und ob wegen Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen ist die Instandhaltungsplanung durch systematische Anwendung und Kombination oberflächenverbessender Verfahren, Entwicklung, Konstruktion, Herstellung, Beschaffung und Vertrieb von hochverschleißfesten Funktionsteilen für sämtliche Industriebereiche. Die Firma befasst sich mit dem Aufbringen von Keramik und Hartmetallen auf Maschinenteile, insbesondere auf Wellen, Wellenhülsen, Ventile und Kolben. In dem Betrieb sind etwa 35 Vollzeitbeschäftigte tätig.

Die Gesellschaft wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 15.10.1979 gegründet und firmierte zunächst als RS-O. GmbH. Das damalige Stammkapital betrug 50.000 DM, wobei die beiden Gesellschafter Willibald R. und Günther S. jeweils eine Stammeinlage von 25.000 DM einbrachten. In dem damaligen Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden und dass in den Fällen, in denen eine Mehrheit nicht zu finden sei, der Beirat entscheiden würde. In § 8 des Gesellschaftsvertrages wurde u. a. geregelt, dass Mitglieder des Beirates zwei Gesellschafter und der für das Unternehmen tätige Steuerberater bzw. bei technischen Fragen anstelle des Steuerberaters ein von der zuständigen IHK benannter Sachverständiger seien und dass mit einfacher Mehrheit abgestimmt würde. Nach mehreren Änderungen des Gesellschaftsvertrages in dem Zeitraum von 1979 bis 1996, durch die das Stammkapital der Gesellschaft, die Zahl der Gesellschafter und deren Anteile am Stammkapital sowie der Firmenname geändert wurden, wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 08.12.1996 vereinbart, dass Herr Günther S. und Frau Marianne S. aus der Gesellschaft ausscheiden und Herr Willibald R. und Frau Barbara R. als alleinige Gesellschafter die Geschäftsanteile der Gesellschaft zu gleichen Anteilen innehaben. Mit weiterem Gesellschafterbeschluss vom 18.12.2008 wurde geregelt, dass von dem Stammkapital in Höhe von insgesamt 172.000 EUR Herr Willibald R. und Frau Barbara R. jeweils Geschäftsanteile in Höhe von 68.800 EUR an ihre Tochter Sabine R. (Klägerin) und an ihren Sohn Heiko R. übertragen und Geschäftsanteile in Höhe von jeweils insgesamt 17.200 EUR weiterhin halten. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass neben den bisherigen Geschäftsführern Willibald R. und Barbara R. die Klägerin und Herr Heiko R. zu weiteren Geschäftsführern bestellt werden, dass ihnen Einzelvertretungsberechtigungen erteilt werden und dass sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind.

Am 05.05.2009 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge