Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Gewährung von Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Leistungsgewährung an wohnsitzlose Hilfebedürftige. Erstattungsanspruch des örtlichen Sozialhilfeträgers
Orientierungssatz
Der örtliche Träger der Sozialhilfe kann vom überörtlichen Sozialhilfeträger Erstattung der Aufwendung für die Gewährung von Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (hier: stationäre Unterbringung) an einen Hilfebedürftigen verlangen, wenn für den Hilfebedürftigen unmittelbar vor der Unterbringung kein gewöhnlicher Aufenthaltsort bestand. Dabei trägt der örtliche Sozialhilfeträger die Darlegungslast für das Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes. Hierbei hat er zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Hilfebedürftigen alles zu unternehmen, was ihm möglich und zumutbar ist.
Tenor
Der Beigeladene wird verurteilt, an die Klägerin in dem Hilfefall des am 17.07.19xx geborenen Herrn Richard R. für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.10.2014 einen Betrag i.H.v. 49.153,77 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beigeladene trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 54.164,09 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Kostenerstattung in dem Hilfefall des am 17.07.19xx geboren Herrn Richard R. (im Folgenden: Hilfeempfänger) für den Zeitraum ab dem 01.08.2010, welche die Klägerin für eine Unterbringung des Hilfebedürftigen im Carl-Sonnenscheinhaus erbracht hat.
Der Hilfeempfänger wurde am 17.07.19xx in A.-P. (Österreich) geboren. Er besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und leidet an den Folgen einer Neurolues mit hirnorganischem Psychosyndrom bei einer Halbseitensymptomatik rechts. Aufgrund dessen sind seit Juli 1990 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Merkzeichen "G" zuerkannt. Bis zu seinem dritten Lebensjahr lebte er bei seiner Mutter. Sein Vater wurde 1945 als vermisst gemeldet und gilt als verschollen. Während seines fünften Lebensjahrs verstarb seine Mutter. Seitdem war der er ausschließlich in verschiedenen Kinderheimen untergebracht, zuletzt im Kinderheim K.-P., wo er seinen Volksschulabschluss machte. Im Jahre 1962 bestand er in D. die Prüfung zum Matrosen und arbeitete anschließend auf verschiedenen Binnenschiffen. 1974 wechselte er zur K. S. AG in D. und arbeitete dort bis 1983 als Maschinist. Aus einer am 20.04.19xx vor dem Standesamt D.-R. geschlossenen Ehe gingen zwei in den Jahren 19xx und 19xx geborene Töchter hervor. Durch Urteil des Landgerichts D. vom 29.06.19xx (Az. 9 R xxx/77) wurde die Ehe geschieden. Am 06.04.1983 erteilte die Beklagte eine Kostenzusicherung für das "Haus am Hafen" ab dem 17.02.1983 gem. § 72 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).
Seit dem 26.01.1987 lebt der Hilfeempfänger C.-S.-Haus des Caritas Männerwohnheim e.V. in O. In seinem Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten bei dem C.-S.-Haus am 26.01.1987 gab er an, vom Beruf Binnenschiffer zu sein. In dem Feld "Beschäftigungsverhältnisse in den letzten drei Jahren" gab er "Binnenschifffahrt, M. (Bayern)" an. In dem Feld "Aufenthaltsverhältnisse der letzten drei Monate" gab an, in verschiedenen Einrichtungen, zuletzt in D. in einem Biwak gelebt zu haben.
Ausweislich eines am 28.10.1988 im C.-S.n-Haus erstellten Sozialberichts war der Hilfeempfänger seit 1986 arbeitslos. Zu der geschiedenen Ehefrau sowie zu den Kindern bestehe kein Kontakt. Eine Untersuchung des behandelnden Arztes, Herrn Dr. D., habe ergeben, dass bei ihm ein bleibender Schaden in Gestalt einer chronischen organischen Psychose vorliege. Er sei nicht in der Lage, ohne fremde Hilfe seine täglichen Bedürfnisse ausreichend zu regeln. Eine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung sei nicht notwendig. Ein Verbleib in der Einrichtung und eine dauernde ärztliche Kontrolle und Behandlung seien angemessen und ausreichend.
Mit Bescheid vom 21.07.1989 bewilligte die Landesversicherungsanstalt R. dem Hilfeempfänger ab dem 01.02.1989 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Ab dem 01.09.1989 wurde die Rente unmittelbar an das C.-S.-Haus abgeführt.
Nach einer Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Klägerin vom 05.12.1989 sollte der Hilfeempfänger aufgrund seiner psychischen Behinderung in einem Wohnheim betreut werden. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt sei nicht notwendig. Als geeignet könne das C.-S.-Haus betrachtet werden, wo der Hilfeempfänger wohne und auch an arbeitstherapeutischen Maßnahmen teilnehme.
Hierauf beantragte die Klägerin am 28.12.1989 bei dem Beigeladenen die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe für den Hilfeempfänger und führte unter Hinweis auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 05.12.1989 an, dass dessen weitere Betreuung erforderlich sei und eine Unterbringung in einer anderen Einrichtung ausscheide. Der Hilfeempfänger nehme im C.-S.-Haus unter anderem an arbeitstherapeutischen Maßnahmen Teil und werde seine...