Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 05.07.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2022 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert beträgt 574,04 Euro.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die formelle und materielle Rechtmäßigkeit eines von der beklagten Krankenversicherung erhobenen Aufschlags nach § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V). Im Kern besteht Dissens über den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm.

In der Zeit vom 15.05.2021 bis zum 24.06.2021 wurde der bei der Beklagten versicherte ... im Hause der Klägerin stationär behandelt. Die Klägerin stellte diesen Aufenthalt der Beklagten am 09.07.2021 auf Grundlage der D. R. Group (DRG) PA15B mit einer Gesamtsumme von 4.519,76 € in Rechnung.

Die Beklagte beglich diese Rechnung vollständig und leitete anschließend eine Überprüfung der Abrechnung durch den M. D. (MD) ein, welcher diese Prüfung am 13.08.2021 gegenüber der Klägerin anzeigte.

Der MD schloss diese Prüfung am 31.03.2022 ab und kam zu dem Ergebnis, dass die Dauer des stationären Aufenthaltes nicht medizinisch begründet sei.

Die Beklagte teilte der Klägerin am 05.04.2022 unter Hinweis auf die Begutachtung durch den MD mit, dass sie einen Erstattungsanspruch von 574,04 € geltend mache.

Am 05.07.2022 erließ die Beklagte einen Bescheid gegenüber der Klägerin in welchem es unter Verweis auf die durchgeführte MD-Prüfung wörtlich hieß: „Unter Berücksichtigung Ihrer Prüfquote setzen wir den Aufschlag für diese Rechnung auf 574,04 € fest (§ 275c Abs. 3 SGB V).“

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 20.07.2022 Widerspruch ein mit der Begründung, dass § 275c Abs. 3 SGB V erst für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2022 anwendbar sei.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2022 mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach nochmaliger Prüfung des Sachverhaltes der erhoben Aufschlag von 574,04 € zutreffend sei. Der Sachverhalt unterfalle auch dem zeitlichen Anwendungsbereich der Norm, da es hierfür auf den Zeitpunkt der leistungsrechtlichen Entscheidung der Beklagten ankomme. Der Bescheid ist unterzeichnet mit „L. K. - Für den Widerspruchsausschuss“. In dem Rubrum des Bescheides ist die Besetzung des entscheidenden Widerspruchsausschusses nicht benannt.

Hiergegen hat die Klägerin am 08.09.2022 Klage erhoben und darin sowohl die formelle als auch die materielle Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide bemängelt.

Die formelle Rechtswidrigkeit ergebe sich bereits daraus, dass vor Erlass des Bescheides keine Anhörung nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) erfolgt sei. Des Weiteren sei der Bescheid unzureichend begründet, da aus dem Bescheid nicht ersichtlich sei, wie der erhobene Aufschlag errechnet worden sei und welches Quartal zur Berechnung herangezogen worden sei.

Der Widerspruchsbescheid sei darüber hinaus nicht ordnungsgemäß erlassen worden. Mangels Angaben über die Besetzung des Widerspruchsausschusses bei der Entscheidung und der fehlenden Vorlage des Protokolls der Sitzung des Widerspruchsausschusses, müsse die Klägerin davon ausgehen, dass der Widerspruchsausschuss nicht in ordnungsgemäßer Besetzung entschieden habe.

Die materielle Rechtswidrigkeit des Bescheides ergebe sich daraus, dass § 275c Abs. 3 SGB V erst für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2022 anwendbar sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem Verweis in § 275c Abs. 3 SGB V auf § 275c Abs. 2 SGB V als auch aus § 275c Abs. 3 Satz 3 SGB V:

Das Erörterungsverfahren, für welches § 275c Abs. 3 Satz 3 SGB V eine Ausnahme zu § 275c Abs. 3 Satz 1 SGB V normiere, sei erst durch die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2022 eingeführt worden. Wenn Satz 3 somit erst für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2022 greife, müsse dies auch für Satz 1 gelten.

Zudem verweise § 275c Abs. 3 Satz 2 SGB V hinsichtlich der prozentualen Höhe der Aufschlagszahlungen auf § 275c Abs. 2 Satz 4 und 6 SGB V. Absatz 2 Satz 4 verweise wiederum auf Absatz 2 Satz 2, der ebenfalls eine Regelung ab dem Jahr 2022 treffe. Als maßgeblicher Zeitpunkt werde in Absatz 2 Satz 3 das Datum der Einleitung der Prüfung geregelt. Somit gehe der Verweis aus Absatz 3 auf Absatz 2 im streitigen Behandlungsfall ins Leere, da die Prüfung vor dem 01.01.2022 eingeleitet worden sei. Wenn § 275c Abs. 3 SGB V auf den streitigen Behandlungsfall bereits anwendbar wäre, würde sich somit mangels einer geregelten Höhe des Aufschlags ein Aufschlag von Null ergeben.

Gegen die Anwendbarkeit der Norm spreche zudem, dass sich die Regelungen zur Abrechnung und Prüfung von Krankenhausbehandlungen hinsichtlich ihres zeitlichen Anwendungsbereiches immer nach dem Zeitpunkt der Aufnahme des Versicherten richtete. Dies ergebe sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Die Orientierung an dem Aufnahmedatum sei auch sachgerecht, da dies ein sachlicher und neutraler Zeitpunkt sei. Der Zeitpunkt der leistungsrechtlichen Entscheidung der Beklagten sei hingegen von der Beklagten ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge