Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 130 Abs 2 SGB III (juris: § 132 SGB 3) ist abschließend. Bezug von Verletztengeld. Festsetzung von fiktivem Arbeitsgeld. Verfassungsmäßigkeit der fiktiven Bemessung
Orientierungssatz
1. Das Gesetz zählt in § 130 Abs. 2 SGB III (juris: SGB 3) abschließend auf, welche Zeiten bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums außer Betracht bleiben.
2. Der Bezug von Verletztengeld wird dort ausdrücklich nicht aufgeführt.
3. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat (§ 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III (juris: SGB 3)).
4. Sowohl die fiktive Bemessung an sich als auch deren Höhe sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes gegen die Höhe des für diesen bewilligten Arbeitslosengeldes.
Der 19xx geborene und 20x verstorbene Ehemann der Klägerin war bis zu seinem Unfall am 30.04.2009 als LKW-Fahrer tätig. Nach seinem Unfall erhielt er vom 30.04.2009 bis 02.05.2011 Verletztengeld.
Er meldete sich am 18.04.2011 zum 03.05.2011 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 23.05.2011 und Widerspruchsbescheid vom 09.06.2011 Arbeitslosengeld für 450 Tage in Höhe von 31,37 Euro täglich. Hierbei setzte sie das Bemessungsentgelt fiktiv fest und ordnete den Ehemann der Klägerin in Qualifikationsgruppe 3 ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Bemessung fiktiv zu erfolgen habe, weil in den letzten zwei Jahren kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt sondern ausschließlich Verletztengeld erzielt worden sei.
Hiergegen richtet sich die zunächst noch vom Ehemann der Klägerin erhobene Klage vom 29.06.2011. Nachdem der Ehemann im Juni 2012 verstorben ist, führe die Klägerin das Verfahren als Rechtsnachfolgerin fort. Sie macht für ihren Ehemann geltend, dass entweder das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt oder das monatliche Verletztengeld der Bemessung zugrunde zu legen sei. Die Ansicht der Beklagte gehe fehl, dass ihr Ehemann weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt habe, denn er habe aus dem Verletztengeld regelmäßig Leistungen zur Arbeitslosenversicherung erbracht. Daher habe er sozialversicherungspflichtige Gelder bezogen. Darüber hinaus liege keine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit vor, da er sich nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma J befinde. Die Regelung zur fiktiven Einstufung sei auch nicht verfassungskonform, denn grundsätzlich haben Arbeitnehmer, die aufgrund von Krankheit ihrer Tätigkeit nicht mehr nachgehen können, Anspruch auf Schutz und Fürsorge des Staates. Die Regelung des § 132 Abs. 2 SGB III führe jedoch dazu, dass aufgrund einer krankheitsbedingten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit es zu einer Minderung der Höhe des Arbeitslosengeldes komme und stelle daher Arbeitnehmer, die Verletztengeld erhalten, deutlich schlechter als andere, die im selben Zeitraum gearbeitet haben. Der Meinung des Gesetzgebers, dass bei länger zurückliegendem Arbeitsentgelt nicht mehr die Vermutung gelte, dass es typisierend das Arbeitsentgelt anzeige, was der Arbeitslose aktuell erzielen könne, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr müsse eine Vermutung dafür sprechen, dass ein Arbeitsloser das Arbeitsentgelt auch in Zukunft verdienen könne. Darüber hinaus habe ihr Ehemann in den letzten Jahren deutlich mehr verdient als ihm durch die Qualifikationsgruppe zugebilligt werde und er sei daher letztlich aufgrund seiner Krankheit bestraft. Schließlich teile der Gesetzgeber nicht mit, wie die Pauschalen gebildet worden seien. Durch die Festlegung der Pauschalen erfolge eine erhebliche Absenkung der Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld. Die Pauschalwerte seien nicht plausibel. Für die Qualifikationsgruppe 3 sei ein viel zu niedriger Ansatz gewählt worden, denn in vielen Bereichen liege der Durchschnittsverdienst für Facharbeiter bzw. Fachangestellte oberhalb der im Gesetz normierten Bezugsgröße. Auch die zur fiktiven Einstufung vorliegende Rechtsprechung des BVerfG sei vorliegend nicht einschlägig, denn dort sei eine andere Fallkonstellation (Erziehungsgeld) entschieden worden. Der Unterschied bestehe darin, dass das Elterngeld freiwillig beantragt werden könne. Vorliegend sei die Situation jedoch durch einen unverschuldeten Unfall eingetreten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2011 zu verurteilen, Arbeitslosengeld auf der Grundlage der zuletzt bezogenen Lohnzahlungen, hilfsweise auf der Grundlage des zuletzt bezogenen Verletztengeldes zu gewähren.
Die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den im Widers...