Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Berechnung der Angemessenheitsgrenze. lokaler Mietspiegel als Grundlage einer abstrakten Angemessenheitsbestimmung. Bruttokaltmiete als Berechnungsgröße für die Angemessenheitsermittlung
Orientierungssatz
1. Bei der Berechnung angemessener Kosten der Unterkunft im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende kann zur abstrakten Angemessenheitsermittlung des Quadratmeterpreises jedenfalls in der Stadt Essen auf einen Mietspiegel zurückgegriffen werden (Anschluss SG Duisburg, Urteil vom 23. April 2008, S 27 AS 154/07; entgegen BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R).
2. Für die Ermittlung angemessener Unterkunftskosten ist nicht auf die Nettokaltmiete pro Quadratmeter, sondern die Bruttokaltmiete abzustellen (Anschluss BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 106/10 R). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die neben der Miete zu leistenden kalten Betriebskosten deshalb niedrig ausfallen, da ein teil dieser Kosten bereits in den Mietzins einkalkuliert wurden und damit ein für den Mieter nachteiliges Ergebnis bezüglich der Höhe der Kaltmiete entstünde, wenn diese Nettokaltmiete als Grundlage der Angemessenheitsbeurteilung dienen würde. Dabei ist die Bruttokaltmiete als Summe einer angemessenen Nettokaltmiete und der abstrakt angemessen bestimmten kalten Betriebskosten zu bestimmen.
3. Einzelfall zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherungsleistung in der Stadt Essen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Überprüfungsbescheides vom 01.10.2012 in Gestalt der dazu ergangenen Änderungsbescheide vom 01.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum vom 01.05.2010 - 31.12.2011 weitere 73,70 EUR monatlich als Bedarf der Unterkunft zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu ½.
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Kläger für die Zeit vom 01.05.2010 - 31.12.2011 zu übernehmen.
Die Kläger beziehen seit 2008 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten.
Sie bewohnen gemeinsam die 72 qm große 3-Zimmer-Wohnung H. Str. 372 in E. Hierfür entrichten sie an den Vermieter seit Einzug (2001) 459,65 EUR Grundmiete und 15,35 EUR Betriebskosten sowie 75,00 EUR Heizkostenvorauszahlung.
Mit Schreiben vom 07.10.2009 wies die Beklagte die Kläger auf die von ihr für angemessen erachtete Grundmiete in Höhe von 282,75 EUR hin, die die tatsächliche Grundmiete der Kläger um 176,90 EUR übersteige. Sie kündigte an, die tatsächlichen Unterkunftskosten nur noch sechs weitere Monate zu berücksichtigen und forderte die Kläger auf, ihre Unterkunftskosten zu senken. Seit 01.05.2010 berücksichtigte die Beklagte die Kosten der Unterkunft lediglich in der für angemessen erachteten Höhe von 282,75 EUR für die Grundmiete zuzüglich der tatsächlichen Betriebskosten in Höhe von 15,35 EUR sowie der tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 75,00 EUR.
Mit Schreiben vom 13.12.2011 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der Leistungsbescheide im Zeitraum 01.01.2010 - 30.12.2011 gemäß § 44 SGB X. Die Überprüfung solle im Hinblick auf die Angemessenheit der Unterkunftskosten und ab 01.01.2011 auch auf den Mehrbedarf für Warmwasser ausgerichtet sein.
Mit hier streitigem Bescheid vom 01.10.2012 gab die Beklagte diesem Antrag teilweise statt. Sie erkannte nunmehr ab dem 01.05.2010 eine Grundmiete von 299,65 EUR an und teilte mit, der Mehrbedarf Warmwasser werde seit dem 01.01.2011 gewährt. In Umsetzung dessen erließ die Beklagte unter demselben Datum insgesamt 5 Änderungsbescheide, mit denen sie für die streitigen Zeiträume die um 16,90 EUR monatlich höhere Grundmiete bewilligte.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Kläger fristgemäß Widerspruch. Er führte an, ein Teil der Betriebskosten sei in der Grundmiete enthalten. Die Beklagte könne nicht lediglich auf die Nettokaltmiete abstellen. Überhaupt fehle es an einem schlüssigen Konzept hinsichtlich der Angemessenheitsberechnung, sodass auf die Werte des § 12 Wohngeldgesetz (Stufe 4) zurückgegriffen werden müsse. Unter Berücksichtigung eines Sicherheitsaufschlags von 10% sei somit eine Bruttokaltmiete in Höhe von 478,50 EUR für einen 2-Personen-Haushalt angemessen. Deswegen sei die tatsächliche Miete in Höhe von 474,99 EUR nicht unangemessen und in voller Höhe von der Beklagten zu übernehmen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 als unbegründet zurück. Die Grundlage für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten gemäß § 22 SGB II sei bislang der Essener Mietspiegel gewesen. Danach sei bislang bei einem 2-Personen-Haushalt eine Grundmiete von maximal 282...