Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Regelbedarfs bei einer aus Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 und dem SGB 12 bestehenden Bedarfsgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bemessung des Regelbedarfs in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft - Leistungsberechtigung nach dem SGB 2 und dem SGB 12 - , in dem insgesamt keine 180 Prozent der individuellen Bedarfe zweier Partner gedeckt werden können, ist eine unmittelbare Anwendung von § 20 Abs. 2 S. 1 oder Abs. 4 SGB 2 nicht möglich. Die hierdurch entstehende gesetzliche Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 SGB 2, und nicht des Abs. 4, zu schließen.

2. Die Regelung berücksichtigt, dass kein einheitlicher Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher besteht, der beispielsweise auf eine bestimmte Höhe begrenzt ist, vielmehr lediglich Individualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestehen, die nicht in ihrer Summe einer bestimmten gemeinsamen Höchstgrenze unterliegen.

3. Ein Hilfebedürftiger ist nicht als normativ wirtschaftlich Alleinstehender anzusehen, wenn die maßgebliche Grenze in der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4 SGB 2 von 180 Prozent erreicht wird. Sofern die Grenze von 180 Prozent erreicht ist, ist bei normativer Betrachtung zur Schließung der Regelungslücke bei gemischten Bedarfsgemeinschaften auf die Regelung des § 20 Abs. 4 SGB 2 als die normativ vergleichbare Regelung zurückzugreifen.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 20.02.2015 sowie des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2015 dazu verpflichtet, der Klägerin für den Monat April 2015 Leistungen nach dem SGB II in Höhe des vollen Regelsatzes nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in Höhe von 399,00 Euro zu gewähren und die entsprechenden, noch nicht erbrachten Leistungsanteile (in Höhe von insgesamt 39,00 Euro) an die Klägerin nachträglich auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu 1/6.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Regelbedarf im Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 ohne Abzug eines Partnerbetrages nach § 20 Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch [SGB II].

Die am 30.08.19xx geborene Klägerin lebt seit Einzug ihres Lebenspartners Herrn O. M. I. am 10.01.2014 gemeinsam mit diesem und ihren drei minderjährigen Kindern R.-E. K., A. F. K. und H. S. in einer Wohnung in Essen. Der Lebenspartner der Klägerin ist der Vater des jüngsten Kindes der Klägerin H. S ...

Herr I. erhielt seit März 2014 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz [AsylbLG]. Mit Bescheid der Stadt E. vom 23.02.2015 wurden Herrn I. für die Zeit ab dem 01.03.2014 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 444,00 Euro gewährt; hiervon entfielen 129,00 Euro auf einen Barbetrag nach § 3 Abs. 1 AsylbLG und 194,00 Euro auf sog. Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG. Mit Bescheid vom 25.03.2015 gewährte die Stadt E. Herrn I. für den Monat April 2015 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 469,00 Euro. Dabei entfielen auf den Zeitraum vom 1. bis 9. April anteilig 38,70 Euro Barbetrag nach § 3 Abs. 1 AsylbLG und 58,20 Euro Grundleistungen. Für den Zeitraum vom 10. bis 30. April wurden sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zum Regelsatz analog dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII] in Höhe von 252,00 Euro bewilligt. In der Folgezeit wurden die monatlichen Leistungen mit Bescheiden vom 24.05.2015, 14.07.2015, 27.07.2015 und 25.08.2015 abgeändert. Hierbei wurden Herrn I. übereinstimmend jeweils Analogleistungen als Regelsatz analog dem SGB XII in Höhe von monatlich 360,00 Euro gewährt.

Mit Bescheid vom 20.02.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.04. bis 30.09.2015 Regelbedarf in Höhe von monatlich 360,00 Euro, welcher einem sog. Partnersatz nach § 20 Abs. 4, Abs. 5 SGB II i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2015 vom 15.10.2014 entsprach.

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 20.02.2015 erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 20.03.2015 Widerspruch bei dem Beklagten. Zur Begründung führte sie aus, in Ansehung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] (Urteil vom 06.10.2011, Aktenzeichen B 14 AS 171/10 R) sei zu beachten, dass die Regelleistung für zwei volljährige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich nur dann auf jeweils 90 Prozent der Regelbedarfshöhe begrenzt sei, wenn es sich um zwei volljährige erwerbsfähige Angehörige handele, die dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II sein könnten. Herr I. sei der Lebensgefährte der Klägerin und lediglich im Besitz einer Duldung, welche ihn auf den Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG beschränke. Die Kürzungsregelung auf 90 Prozent des vollen Regelsatzes gelte nicht für Bedarfsgemeinschaften, in denen ein Partner Leistungen nach dem AsylbLG beziehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03...

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