Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Grundsicherungsleistungen bei einem Ausländer ohne tatsächliche Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt
Orientierungssatz
1. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 sind vom Bezug von Grundsicherungsleistungen Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
2. Arbeitsuchende haben nur ein eingeschränktes Aufenthaltsrecht. Dieses ist daran geknüpft, dass ihnen ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, sodass sie keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmestaates in Anspruch nehmen müssen und sie über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen.
3. Erst wenn eine tatsächliche Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt besteht, ist es nach der Rechtsprechung des EuGH legitim, Leistungen der Grundsicherung zu gewähren.
4. Eine tatsächliche Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt ist u. a. dann nicht ersichtlich, wenn der Betroffene kein Deutsch spricht und bisherige Anstrengungen zur Arbeitsuche erfolglos geblieben sind.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der 1992 geborene Antragsteller ist rumänischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24.9.2014 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II bei dem Antragsgegner und gab an, sich seit Januar 2014 in A-Stadt aufzuhalten. Als Beleg legte er eine Meldebescheinigung vom 6.1.2014, Hauptwohnung C-straße in A-Stadt, vor. Der Antragsteller trug vor, er sei zur Arbeitsuche aus Rumänien eingereist. Diese sei bislang ohne Erfolg geblieben. Er habe keinerlei Einkommen und erhalte lediglich Hilfe von sozialen Einrichtungen. Aktuell übernachte er im Freien im Stadtgebiet von A-Stadt. Als Adresse zur Gewährleistung der postalischen Erreichbarkeit nannte der Antragsteller das Diakoniezentrum “X.„ in A-Stadt an. Er gab weiter an, seine Eltern lebten in Rumänien und seien dort nicht krankenversichert. Auch er selbst sei nicht krankenversichert.
Mit Bescheid vom 29.9.2014 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen unter Hinweis auf den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. In seinem Widerspruch vom 31.10.2014 trug der Antragsteller anwaltlich vertreten vor, er habe aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sei für EU-Bürger einschränkend auszulegen. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2014 zurück.
Mit seinem am 31.10.2014 beim Sozialgericht Frankfurt am Main gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt der Antragsteller anwaltlich vertreten die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsgewährung nach dem SGB II. Der Antragsteller halte sich seit Januar 2014 durchgehend in Deutschland auf. Zunächst habe er in der C-Straße in A-Stadt bei seiner Schwester in der Wohnung eines Freundes der Schwester gewohnt. Als dieser Freund die Wohnung verloren habe, habe er sich an den “Romaverein„ (Förderverein Roma e.V.) gewandt. Er lebe jetzt auf der Straße und könne manchmal bei Freunden übernachten. Der Antragsteller habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet und halte sich nachweislich länger als drei Monate in Deutschland auf. Der Antragsteller spreche kein Deutsch, aber Italienisch. Seine Schwester sei ihm bei der Arbeitsuche behilflich gewesen, ohne Erfolg. Er habe kein Einkommen. Der Antragsteller sei nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 S. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben, da aufgrund einer summarischen Prüfung im Rahmen des Eilverfahrens im Wege der Folgeabwägung die grundrechtlichen Belange des Antragstellers verletzt seien. Die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren seien zumindest offen. Weiter wird auf das bei dem EuGH anhängige Vorlageverfahren des BSG zur Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Recht verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner beruft sich im Wesentlichen auf den Anspruchsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und das Urteil des EuGH vom 11.11.2014 in der Rechtssache Dano (C-333/13). Der Antragsteller halte sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland auf und sei daher vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Überdies sei der durchgängige Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland seit dem 6.1.2014 nicht glaubhaft gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Antragsgegners, der Gegenstand der Entscheidung...