Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfallen der Höchstgebühr in sozialrechtlichen Streitigkeiten über typische Dauerleistungen

 

Orientierungssatz

1. Die Höchstgebühr fällt nicht nur dann an, wenn sämtliche Umstände überdurchschnittlich sind. Bereits ein außergewöhnliches Merkmal kann den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertigen, auch wenn die übrigen Umstände nur durchschnittlich sind.

2. Sozialrechtliche Streitigkeiten über typische Dauerleistungen, die den wesentlichen Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten sicherstellen, sind wegen der außergewöhnlichen (wirtschaftlichen) Bedeutung der Sozialleistung grundsätzlich geeignet, eine über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr (bis zur Höchstgebühr) zu begründen.

 

Tenor

Die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 2. August 2013 - S 13 R 8/11 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der von form- und fristgerecht erhobene, gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Erinnerung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des hiesigen Gerichts vom 2. August 2013 - S 13 R 8/11 -, mit dem die außergerichtlichen Kosten auf 742,80 Euro festgesetzt worden sind, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere insoweit, als der Beschluss mit der vorliegenden Erinnerung hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV-RVG) in Verbindung mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses angegriffen wurde. Dem Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin steht die von ihm geltend gemachte Höchstgebühr in dem Hauptsacheverfahren - S 13 R 8/11 - nicht zu.

Der angefochtene Beschluss der Urkundsbeamtin würdigt die Sach- und Rechtslage dabei zutreffend, was die Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV-RVG) anbelangt. Aus diesem Grund nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dort genannten Gründe vollinhaltlich Bezug. Dies auch zumal eine weitergehende und substantiierte Begründung von Seiten des Beschwerdeführers in dem Erinnerungsverfahren, der auf sein Vorbringen im Kostenfestsetzungsverfahren Bezug nimmt, zu diesem Punkt nicht erfolgt ist.

Ergänzend weist die Kammer auf Folgendes hin:

Die vom Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin geforderte Höchstgebühr fällt nicht nur dann an, wenn sämtliche Umstände überdurchschnittlich sind (Lutje/v.Seltmann, in: BeckOK, RVG, § 14 Rn. 23). Bereits ein außergewöhnliches Merkmal kann den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertigen, auch wenn die übrigen Umstände nur durchschnittlich sind (anders allerdings zur BRAGO: LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16. Juni 2003 - L 5 B 13/03 SF SK - juris und LSG Sachsen, Beschlüsse vom - L 1 B 32/97 RA-Ko -, juris Rn. 17 und vom 19. Mai 2006 - L 6 B 168/05 R-KO -, juris Rn. 25; zum RVG SG Stade, Beschluss vom 2. Januar 2007 - S 4 SF 1/06 -, juris Rn. 17). Dabei sind sozialrechtliche Streitigkeiten über typische Dauerleistungen, die den wesentlichen Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten sicherstellen, wegen der außergewöhnlichen (wirtschaftlichen) Bedeutung der Sozialleistung grundsätzlich geeignet, eine über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr (bis zur Höchstgebühr) zu begründen (so zur Geschäftsgebühr LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2008 - L 3 R 84/08 -, juris Rn. 36 m.w.N.; so auch zur BRAGO: LSG Thüringen, Beschlüsse vom 12. Juli 2004 - L 6 B 41/04 SF-, juris Rn. 26 m.w.N., vom 19. Mai 2003 - L 6 B 18/03 SF -, juris Rn. 21 und vom 8. Februar 2000 - L 6 B 71/99 SF -, juris 20; LSG Sachsen, Beschluss vom 18. Juni 2004 - L 6 B 92/03 RJ-KO -, juris Rn. 20). Eine Regelvermutung für das Entstehen der Höchstgebühr in Rentenverfahren besteht dagegen nicht (so auch: SG Karlsruhe, Urteil vom 4. August 2009 - S 16 633/09 -, juris Rn. 25). Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob aus dem Umfang und der Schwierigkeit des Rechtsstreits, dem Ausmaß der anwaltlichen Tätigkeit, der überdurchschnittlichen Verfahrensdauer oder der Bedeutung der Angelegenheit die Festsetzung der Höchstgebühr gerechtfertigt ist (LSG Hessen, Beschluss vom 1. September 2011 - L 2 SF 162/10 E -). Liegt dagegen kein außergewöhnliches Merkmal vor, wird die Annahme der Höchstgebühr erfordern, dass mehrere Umstände überdurchschnittlich sind (LSG Thüringen, Beschluss vom 19. Juli 2012 - L 6 SF 930/12 B -, juris Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 - L 7 B 36/07 AS -, juris Rn. 14; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. Juli 2008 - L 6 B 141/07-, juris Rn. 31).

In Anwendung dieser Grundsätze scheitert die Festsetzung der Höchstgebühr für die anwaltliche Tätigkeit in dem Ausgangsverfahren S 13 R 8/11 daran, dass die Erinnerungsführerin durch die erstrittene Erwerbsminderungsrente nicht ihren Lebensunterhalt sicherstellen musste. Damit hatte die Angelegenheit für sie sicherlich eine hohe, jedoch keine außerordentlich hohe (wirtschaftliche) Bedeutung. Die Kammer stützt sich dabei a...

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