Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Kostenfestsetzung. Verfahrensgebühr. Höchstgebühr. überdurchschnittliche Umstände. anwaltliche Tätigkeit. existenzielle Bedeutung. Erwerbsminderungsrente auf Dauer. lange Laufzeit des Rechtsstreits
Orientierungssatz
Zur Festsetzung der Verfahrensgebühr in Höhe der Höchstgebühr bei einem Rechtsstreit über die Bewilligung einer Erwerbsminderung auf Dauer und unter Berücksichtigung der langen Laufzeit des Rechtsstreits von rund fünf Jahren.
Tenor
I. Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Erinnerungsführerin hat der Erinnerungsgegnerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Erinnerungsverfahren zu erstatten.
Gründe
Die Erinnerung der Beklagten (im weiteren Erinnerungsführerin) vom 3. November 2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2014 - S 13 R 190/09 und L 2 R 181/12 -, mit dem die von ihr an die Klägerin (im weiteren Erinnerungsgegnerin) zu erstattenden Kosten für das Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht auf 1.011,14 Euro festgesetzt worden sind, ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, vgl. § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jedoch unbegründet.
Die Berechnung der von der Erinnerungsführerin zu erstattenden Rechtsanwaltskosten für das Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht, die sich nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG) richtet, ist nicht zu beanstanden. Dabei ist die Vergütung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG noch nach der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung des RVG zu berechnen, da die Rechtsanwältin den Auftrag für das Berufungsverfahren vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. August 2013 erhalten hat.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Bevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin für ihre Tätigkeit in dem Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3204 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 - Vergütungsverzeichnis (VV-RVG), auf eine Terminsgebühr gem. Nr. 3205 VV-RVG in Höhe von 200,00 Euro, auf eine Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 Euro sowie auf eine Dokumentenpauschale gem. Nr. 7000 VV-RVG in Höhe von 59,95 Euro hat. Die Erinnerungsführerin wendet sich im vorliegenden Erinnerungsverfahren allein noch gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr in Höhe der Höchstgebühr von 570,00 Euro.
Die Höchstgebühr fällt nicht nur dann an, wenn sämtliche Umstände überdurchschnittlich sind (Lutje/v.Seltmann, in: BeckOK, RVG, § 14 Rn. 23). Bereits ein außergewöhnliches Merkmal kann den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertigen, auch wenn die übrigen Umstände nur durchschnittlich sind (anders allerdings zur BRAGO: LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16. Juni 2003 - L 5 B 13/03 SF SK - juris und LSG Sachsen, Beschlüsse vom - L 1 B 32/97 RA-Ko -, juris Rn. 17 und vom 19. Mai 2006 - L 6 B 168/05 R-KO -, juris Rn. 25; zum RVG SG Stade, Beschluss vom 2. Januar 2007 - S 4 SF 1/06 -, juris Rn. 17). Dabei sind sozialrechtliche Streitigkeiten über typische Dauerleistungen, die den wesentlichen Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten sicherstellen, wegen der außergewöhnlichen (wirtschaftlichen) Bedeutung der Sozialleistung grundsätzlich geeignet, eine über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr (bis zur Höchstgebühr) zu begründen (so zur Geschäftsgebühr LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2008 - L 3 R 84/08 -, juris Rn. 36 m.w.N.; so auch zur BRAGO: LSG Thüringen, Beschlüsse vom 12. Juli 2004 - L 6 B 41/04 SF-, juris Rn. 26 m.w.N., vom 19. Mai 2003 - L 6 B 18/03 SF -, juris Rn. 21 und vom 8. Februar 2000 - L 6 B 71/99 SF -, juris 20; LSG Sachsen, Beschluss vom 18. Juni 2004 - L 6 B 92/03 RJ-KO -, juris Rn. 20). Eine Regelvermutung für das Entstehen der Höchstgebühr in Rentenverfahren besteht allerdings nicht (so auch: SG Karlsruhe, Urteil vom 4. August 2009 - S 16 633/09 -, juris Rn. 25). Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob aus dem Umfang und der Schwierigkeit des Rechtsstreits, dem Ausmaß der anwaltlichen Tätigkeit, der überdurchschnittlichen Verfahrensdauer oder der Bedeutung der Angelegenheit die Festsetzung der Höchstgebühr gerechtfertigt ist (LSG Hessen, Beschluss vom 1. September 2011 - L 2 SF 162/10 E -). Liegt kein außergewöhnliches Merkmal vor, wird die Annahme der Höchstgebühr erfordern, dass mehrere Umstände überdurchschnittlich sind (LSG Thüringen, Beschluss vom 19. Juli 2012 - L 6 SF 930/12 B -, juris Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 - L 7 B 36/07 AS -, juris Rn. 14; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. Juli 2008 - L 6 B 141/07-, juris Rn. 31).
Gemessen hieran war die Verfahrensgebühr in dem der angegriffenen Kostenentscheidung vom 23. Oktober 2014 zugrunde liegenden Berufungsrechtsstreit L 2 R 181/12 in Höhe der Höchstgebühr festzusetzen. D...