Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für ausländische Unionsbürger in den ersten 3 Monaten des Aufenthalts oder bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft als Voraussetzung eines Leistungsanspruchs bei geringfügiger Beschäftigung. sittenwidriger Lohn. Anspruch auf die übliche Vergütung
Orientierungssatz
Eine Arbeitnehmereigenschaft, welche die Anwendung des in § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 bestimmten Ausschlusstatbestands für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen an ausländische Staatsangehörige ausschließt, ist bei einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis über mindestens sechs Wochenstunden auch dann anzunehmen, wenn der vereinbarte monatliche Lohn lediglich 100 Euro beträgt und insoweit sittenwidrig ist. Denn in diesem Fall ist für die Beurteilung der Erheblichkeit der Beschäftigung vom tatsächlich geschuldeten Lohn auszugehen.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig bis zu einer anderweitigen Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab 9.4.2014 bis 31.7.2014 zu gewähren.
2. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten sind Ansprüche auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Streit.
Der 1984 geborene ledige Antragsteller zu 1) und die 1990 geborene ledige Antragstellerin zu 2) sind rumänische Staatsangehörige und gehören zur Volksgruppe der Roma. Die in den Jahren 2005 und 2013 geborenen Antragsteller zu 3) und 4) sind nach dem Vortag der Antragsteller ihre gemeinsamen Kinder.
Die Antragsteller leben nach ihrem Vortrag seit September 2013 in Deutschland. Sie sind zu einem nicht näher ermittelten Zeitpunkt nach A-Stadt gekommen und wohnten dort zunächst in einer Gartenlaube ohne fließendes Wasser und ohne Heizung. Als das Jugendamt Ende Februar 2014 hiervon erfuhr, nahm es die Kinder wegen Kindeswohlgefährdung in Obhut. Im März wurde den vom Förderverein Roma e.V. betreuten Antragstellern von Herrn XV eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Die Kinder wurden vom Jugendamt den Eltern wieder übergeben.
Die Antragstellerin zu 2) bezieht auf ihren Antrag vom 14.3.2014 für beide Kinder Kindergeld der Familienkasse Hessen ab April 2014. Der Antragsteller zu 1) steht seit 1.3.2014 in einem Haushalts-Minijob-Verhältnis bei Herrn XV und verdient dort nach dessen Angaben 100,- € monatlich für mindestens 6 Stunden Arbeit in der Woche.
Am 27.2.2014 stellte der Antragsteller zu 1) einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner für sich und seine Familie. Zu ihrem bisherigen Einkommen trugen die Antragsteller vor, sie hätten bislang von dem Sammeln von Pfandflaschen und Dosen und von der Hilfe von Freunden und Bekannten gelebt.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.3.2014 ab unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und wies den Widerspruch der Antragsteller vom 9.4.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 5.6.2014 zurück.
Hiergegen haben die anwaltlich vertretenen Antragsteller am 11.6.2014 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben (Aktenzeichen: S 32 AS 976/14).
Am 9.4.2014 haben die Antragsteller anwaltlich vertreten einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie haben vorgetragen, dass der Antragsteller zu 1) einen Minijob habe, weshalb er schon deshalb als Arbeitnehmer nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für Arbeitsuchende falle. Den Antragstellern zu 2) bis 4) stehe als Familienangehörigen ein Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU zu.
Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab Antragstellung Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt (konkludent),
den Antrag abzulehnen.
Er beruft sich auf den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 883/04 sei nicht eröffnet, so dass ein auf Gleichbehandlung nach dieser Verordnung gegründeter Anspruch nicht gegeben sei. Auf einen Arbeitnehmerstatus könne sich der Antragsteller zu 1) nicht berufen, weil seine Erwerbstätigkeit untergeordnet und unwesentlich sei. Eine Erheblichkeit der Tätigkeit sei erst ab einem Entgelt von über 200,- € monatlich gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten des Antragsgegners, deren Inhalt Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.
II.
Der Antrag zulässig und begründet.
Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung darf grundsätzlich die endgültige Entsc...