Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der Verfahrensgebühr bei einer Untätigkeitsklage
Orientierungssatz
Bei einer Untätigkeitsklage und vorangegangenem Tätigwerden des Rechtsanwalts im Verwaltungs- und/oder Widerspruchsverfahren, bemisst sich die Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV (vgl LSG Essen vom 13.11.2008 - L 20 B 59/08 SO).
Tenor
Der Erinnerung der Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.08.2009 wird insoweit abgeholfen als der Gebührentatbestand Nr. 3102 VV RVG mit 80,- € und der Gebührentatbestand Nr. 1008 VV RVG mit 72,- € anzusetzen sind. Die von der Erinnerungsgegnerin an die Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten betragen 264,18 €.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
In Streit ist vorliegend, nach welcher Gebührenziffer sich die Verfahrensgebühr berechnet und in welcher Höhe diese Gebühr anzusetzen ist.
Die Urkundsbeamtin hat in dem mit Erinnerung vom 28.08.2009 durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger - Erinnerungsführer - angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.08.2009 folgende Gebühren festgesetzt:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG |
40,00 € |
Erledigungsgebühr Nr. 1008 VV RVG |
36,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
50,00 € |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
19% Mehrwertsteuer |
27,74 € |
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Summe |
173,74 € |
I. Einschlägige Gebührenziffer Verfahrensgebühr
Ob bei einer Untätigkeitsklage und vorangegangenem Tätigwerden des Rechtsanwalts im Verwaltungs- und/oder Widerspruchsverfahren Nr. 3102 VV RVG oder Nr. 3103 VV RVG zur Anwendung kommen, ist nach wie vor streitig. Die Urkundsbeamtin hat die Nr. 3103 VV RVG angesetzt.
Das Gericht hält unter Verweis auf den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13.11.2008 (Az.: L 20 B 59/08 SO) die Gebührenziffer Nr. 3102 VV RVG für einschlägig. Der Eintritt einer Arbeitserleichterung als Begründung für die Heranziehung des Gebührentatbestandes des Nr. 3103 VV RVG (Synergieeffekte) kann nach dieser Entscheidung nur dann angenommen werden, wenn Gegenstand des außergerichtlichen Verfahrens und des gerichtlichen Verfahrens die Abwehr oder der Erlass desselben Verwaltungsaktes ist, also der gleiche Lebenssachverhalt dem Verfahren zugrunde liegt, der die gleiche Prüfung der materiellen Rechtslage erfordert. Voraussetzung für den Anfall der Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG ist demnach, dass Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ein Verwaltungsakt ist, der Gegenstand eines behördlichen Verfahrens - Verwaltungsverfahrens und/oder Widerspruchsverfahrens - war, in dem der Rechtsanwalt tätig gewesen ist. Die Untätigkeitsklage ist aber als formelle Bescheidungsklage auf die bloße Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs gerichtet, so dass der Sondertatbestand der Nr. 3103 VV RVG nicht eingreift.
Diese Begründung ist formal, verfahrensrechtlich überzeugend, weshalb die Kammer der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen folgt, auch wenn praktisch gesehen sich ein Synergieeffekt durchaus insoweit ergibt, als der Rechtsanwalt aus dem vorhergehende Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren Kenntnis über die Fristen, die nach § 88 SGG laufen, und gegebenenfalls auch darüber hat, ob besondere Umstände die Bescheidung durch die Behörde nachvollziehbar verzögern.
Daher ist der Erinnerung hinsichtlich der Rüge der Gebührenziffer abzuhelfen.
II. Höhe der Gebühr
Hinsichtlich der Gebührenhöhe hat die Urkundsbeamtin die doppelte Mindestgebühr angesetzt. Das ist nicht zu beanstanden.
Die Untätigkeitsklage vom 29.12.2008 betraf die Bescheidung eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X vom 30.04.2008. Die Klage wurde am 29.04.2009 in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem dem Prozessbevollmächtigten ein bereits am 22.09.2008 erlassener Änderungsbescheid, der trotz Legitimation nicht an ihn zugestellt worden war, zugegangen war.
Der Prozessbevollmächtigte hat vorliegend lediglich eine kurze Klageschrift gefertigt und eine Erledigungserklärung abgegeben. Damit beschränkte sich der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nahezu auf ein Minimum. In der Klageschrift werden die Voraussetzungen nach § 88 Abs. 2 SGG dargestellt. Der Zeitaufwand für den Prozessbevollmächtigten hat deshalb weit unter dem gelegen, was in einem sozialgerichtlichen Verfahren normalerweise anfällt. Auch die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger berechtigt nicht zu einer Festsetzung der Mittelgebühr. Streitgegenstand war eine Untätigkeitsklage, dies ist ein rein prozessuales Instrument (s. o. zur Gebührenziffer Nr. 3102 VV RVG) zur Beschleunigung des Verfahrens und eröffnet keinen unmittelbaren Weg zur Erlangung der begehrten Sachleistung.
Die Einlassung des Prozessbevollmächtigten, andere Gerichte hätten 40 % bzw. 50 % der Mittelgebühr angesetzt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Kammer hält die doppelte Mindestgebühr grundsätzlich für angemessen, es sei denn die Untätigkeitsklage weist besondere Schwierigkeiten auf, etwa die Rüge der Untätigkeit...