Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg bei Überlagerung einer sozialrechtlichen Norm (hier: § 129 Abs 5 SGB 5) durch das Kartellvergaberecht nicht gegeben. keine Verweisungsmöglichkeit an die Vergabekammern des Bundes
Leitsatz (amtlich)
1. Der Sozialrechtsweg ist bei Überlagerung einer sozialrechtlichen Norm (§ 129 Abs 5 SGB V) durch das Kartellvergaberecht der §§ 97ff (insbesondere § 103) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht gegeben.
2. Eine Verweisungsmöglichkeit an die Vergabekammern des Bundes besteht nicht.
Orientierungssatz
1. Zu Leitsatz 2: Anschluss an OVG Bautzen vom 9.2.2016 - 5 B 315/15.
2. Az beim LSG Darmstadt: L 8 KR 229/18 B ER.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf EUR 1,6 Mio. festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit von Preisvereinbarungen zwischen den Antragsgegnern zu quadrivalenten Grippeimpfstoffen für Erwachsene in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in der Saison 2018/2019.
Die Antragstellerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen und stellt quadrivalenten Grippeimpfstoff her (Vaxigrip Tetra®). In der Saison 2018/2019 wird ihr Apothekenverkaufspreis pro Impfdosis EUR 12,54 brutto (10er - Packung) und EUR 11,99 brutto (20er - Packung) betragen. Neben der Antragstellerin stellen auch die Unternehmen E. (E.) mit dem Produkt Influsplit tetra (Apothekeneinkaufspreis zuletzt EUR 9,87 netto, Apothekenverkaufspreis zuletzt EUR 13,11 brutto, jeweils pro Impfdosis in 10er Packung) und F. mit dem Produkt Influvac tetra quadrivalente Grippeimpfstoffe her, wobei der F. - Impfstoff nur für Erwachsene zugelassen ist. Bei F. liegt der Apothekeneinkaufspreis voraussichtlich bei EUR 7,55 netto pro Impfdosis in 10er Packungen. Der Abgabepreis der Apotheken für Grippeimpfstoff, der als Sprechstundenbedarf verordnet und an Ärzte geliefert wird, ist gesetzlich nicht festgelegt. Die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung finden keine Anwendung.
Unter dem 13.02.2018 und 21.02.2018 schloss die Antragsgegnerin zu 1., auch für die Antragsgegner zu 2. - 8., mit den Antragsgegnern zu 9., 10. und 11. jeweils eine Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen und eine Vereinbarung zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen für die Saison 2018/2019 mit einer Laufzeit bis 30.04.2019. Die Vereinbarungen über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen regeln die Abrechnung von als Sprechstundenbedarf verordneten Grippeimpfstoffen auf Muster 16 (" Grippeimpfstoff quadrivalent, nach WHO Saison 2018/2019 für Erwachsene"). Im Falle einer individuellen Verordnung auf den Namen eines Versicherten reicht die Apotheke nach § 2 Nr. 2 einen Kostenvoranschlag zur Genehmigung bei der Antragsgegnerin zu 1. ein, nachdem die Apotheke Rücksprache mit dem Arzt geführt hat, ob ausschließlich diese Verordnung gewünscht sei. Nach den Vereinbarungen zur Regelung von Einzelheiten der Vereinbarung über die Versorgung mit Grippeimpfstoffen wird vom Arzt als Sprechstundenbedarf verordneter Grippeimpfstoff mit Auswahlmöglichkeit für die Apotheke von der Antragsgegnerin zu 1. mit EUR 9,20 zuzüglich Mehrwertsteuer je Impfdosis vergütet (und später auf die anderen gesetzlichen Krankenkassen anteilig umgelegt). Voraussetzung für diesen Preis ist, dass die ärztlichen Verordnungen der Apotheke bis 12.03.2018 vorliegen. Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf die Vereinbarungen der Antragsgegner (Bl. 189 ff. Gerichtsakte) Bezug genommen. Nach einem Angebotsschreiben vom 08.02.2018, versandt über die Antragsgegner zu 9.-11., bietet die G. Center GmbH G-Stadt die Grippeimpfstoffbelieferung für Apotheken in Kooperation mit F. an, wobei Bestellungen bis 31.03.2018 erfolgen sollen (vgl. Bl. 99 Gerichtsakte).
Das Unternehmen E. hat vor der Vergabekammer des Bundes ein Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vereinbarungen angestrengt (Aktenzeichen VK 2 - 30/18). Eine Entscheidung dort steht aus.
Die Antragstellerin hat am 13.03.2018 um sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.
Die Antragstellerin trägt im Wesentlichen vor, eine sogenannte generische Verordnung von Grippeimpfstoffen verbiete sich, da Grippeimpfstoffe nicht wirkstoffgleich und damit nicht gegeneinander substituierbar seien. Durch die streitgegenständlichen Festpreisvereinbarungen seien die Ärzte aber zu Wirkstoffverordnungen angehalten, also unter Verzicht auf die Bezeichnung eines bestimmten Produktes eines bestimmten Herstellers, was diese zur Vermeidung von Regressen auch umsetzen würden. Dies werde zu einer vollständigen Verdrängung aller Hersteller von quadrivalenten Grippeimpfstoffen außer F. für die Impfsaison 2018/2019 führen, da die Apotheken die Impfstoffe ausschließlich über F. beziehen würden, um nicht defizitär zu arbeiten. Bei einer spezifischen Verordnung sei zudem das Verfahren er...