Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislast in einem Verfahren über die Billigkeit der Rechtsanwaltsgebühr
Orientierungssatz
1. Die Billigkeit der Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühr ist im Fall des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs; vielmehr ist die Unbilligkeit eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens. Deshalb trägt nicht der Rechtsanwalt, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es an der Billigkeit fehlt.
2. Tritt im Erinnerungsverfahren der Verfahrensschuldner einer ausführlich begründeten Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühr nicht entgegen, so hat dies zur Folge, dass das Gericht eine Unbilligkeit der getroffenen Bestimmung nicht von Amts wegen feststellt und diese nachträglich abändert.
3. In einem solchen Fall hat der Erinnerungsgegner dem Erinnerungsführer die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Erinnerungsführerin hat dem Erinnerungsgegner auch die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Erinnerung der Beklagten (im weiteren Erinnerungsführerin) vom 13. Oktober 2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 9. Oktober 2014, mit dem die von der Erinnerungsführerin an den Kläger (im weiteren Erinnerungsgegner) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Verfahrens S 15 AL 381/11 auf 854,42 Euro festgesetzt hatte, ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, vgl. § 197 Abs. 2 SGG. Sie ist jedoch unbegründet.
Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen, § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. Dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat dabei der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Allerdings gilt diese Vorschrift im Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten. Vorliegend hat das Sozialgericht in seinem Urteil vom 14. November 2013 - S 15 AL 381/11 - jedoch die Erinnerungsführerin zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers verpflichtet. Sie ist damit Dritte im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. In diesem Fall ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Im Unterschied zu der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG enthaltenen Regelung ist die Billigkeit der Bestimmung im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs, sondern die Unbilligkeit ist eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens. Deshalb trägt nicht der Rechtsanwalt, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es an der Billigkeit fehlt (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 216/10 -, Rn. 10, juris; so auch die einhellige Auffassung in der Literatur: Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 14 RVG Rn. 25; Gerolf/Schmidt/v.EIcken/Madert/Müler-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 14 Rn. 7; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 84; BeckOK RVG/v. Seltmann RVG § 14 Rn. 49, beck-online; Löffler., Anmerkungen zum Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 29. April 2008 - L 6 B 32/08 SF " SGb 2008, 620, 624).
Zumindest in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Verfahrensschuldner der ausführlich begründeten (vgl. anwaltlicher Kostenfestsetzungsantrag vom 1. Juli 2014) Höhe der geltend gemachten Gebühr nicht entgegen tritt, wird das Gericht die Unbilligkeit der getroffenen Bestimmung nicht von Amts wegen feststellen und diese nachträglich abändern (Anschluss an BGH a.a.O.; so auch SG Nordhausen, Beschluss vom 23. April 2015 - S 12 SF 507/12 E -, juris unter Verweis auf Enders, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Auflage 2013, § 14 Rn. 8 und Winkler in Mayer./Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, § 14 Rn. 61; so auch Dr. Tilman Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, § 197, Rn. 4; Loytved, jurisPR-SozR 15/2015 Anm. 5 insbesondere zum Umfang der Darlegungspflicht des Dritten; a.A. SG Braunschweig, Beschluss vom 29. September 2011 - S 47 SF 320/09 E).
Soweit die Erinnerungsführerin behauptet, sie habe mit Schreiben vom 19. September 2014 mitgeteilt, dass sie Kosten in Höhe von lediglich 773,50 Euro übernehme und diese auch angewiesen habe, gebietet dies keine andere Sicht der Dinge. Denn ein solches Schreiben ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zur Akte gelangt. Es befand sich auch nicht in der vorgelegten Behördenakte. Die Erinnerungsführerin hat das angebliche Schreiben auch nicht zur Akte gereicht, obwohl sie bereits mit Schreiben der Urkundsbeamtin vom 20. Oktober 2014 und zuletzt im Schriftsatz des Bevollmächtigten des Erinnerungsgegners vom 11. Juni 2015 hierzu aufgefordert worden ist. Die bloße Überweisung nur eines Teils des beantragten Betrages stellt auch keine substantiierte Beanstandung der Ermess...