Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht - Dauer der Heilungsbewährung bei Mammakarzinom

 

Orientierungssatz

1. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung im Schwerbehindertenrecht nach § 69 Abs. 3 SGB 9 nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

2. Bei einem Mammakarzinom gilt für die sog. Heilungsbewährung eine Dauer von fünf Jahren.

3. Aus einem Teil-GdB von 30 für eine psychische Erkrankung unter Mitberücksichtigung eines Tinnitus, einem solchen von 20 für ein Wirbelsäulenleiden und jeweils einem von 10 für Brustteilverlust und Störungen der Verdauungsorgane ist ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.05.2020; Aktenzeichen B 9 SB 67/19 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Höhe des GdB (Grades der Behinderung) nach dem SGB IX (Sozialgesetzbuch, 9. Buch).

Mit zuletzt bindendem Bescheid vom 02.04.2009 war bei der Klägerin ein GdB von 50 festgestellt worden. Als Behinderung war anerkannt worden:

Brusterkrankung im Stadium der Heilungsbewährung.

Im März 2014 fand eine Nachprüfung von Amts wegen statt, im Rahmen derer ein Befundbericht von Dr. C. vom 03.04.2016 und ein Audiogramm vom 06.06.2013 beigezogen wurde. Des Weiteren wurden befundberichtlich gehört Dr. D. am 13.05.2014, Dr. E. am 22.05.2014 und Dr. F. vom 11.08.2014. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser medizinischen Unterlagen wurde die Klägerin angehört mit Schreiben vom 27.08.2014 wegen Ablaufs der Heilungsbewährung zur geplanten Herabstufung des GdB auf 40. Entsprechend erging am 23.10.2014 ein Bescheid, in dem ein GdB von 40 festgestellt wurde und die Behinderungen wie folgt bezeichnet wurden:

Ohrgeräusche, psychische Störungen,

Brustteilverlust (rechts),

Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der Gliedmaßen,

Störungen der Verdauungsorgane.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 03.11.2014, woraufhin am 01.12.2014 zurückweisender Widerspruchsbescheid erging.

Am 29.12.2014 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 begehrt. Zur Begründung hat sie dargelegt, dass die in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen vorgesehene fünfjährige Heilungsbewährung nicht akzeptiert werden könne, darüber hinaus die Behinderung seitens der Psyche zu niedrig bewertet sei. Ein Gesamt-GdB bei Werten von 20/20, 20/10 sei im Übrigen mit 50 festzustellen. Sie leide unter einer Rezidivangst. Ferner müssten die Behinderungen seitens des Darms und der Wirbelsäule und ihres Tinnitus Berücksichtigung finden. Die Klägerin hat diverse medizinische Unterlagen zur Stützung ihres Vorbringens vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, unter Abänderung seines Bescheides vom 23.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2014 bei ihr weiterhin einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat es durch Dr. G. vorgetragen, dass nach dem psychopathologischen Befund und den Teilhabestörungen für das psychiatrische Fachgebiet von einem Krankheitsverlauf mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen werden könne. Dieser sei bereits im Bescheid festgestellt, psychische Störungen würden sich unter Punkt 1 und 2 der Feststellungen finden. Sowohl die Ohrgeräusche als auch der Brustteilverlust rechts seien jeweils nur mit einem GdB von maximal 10 zu bewerten, so dass sich der GdB von 30 fast in alleiniger Weise auf diese psychischen Störungen beziehe.

Die erkennende Kammer hat einen Befundbericht von Dr. K. vom 13.06.2016 eingeholt nebst Ergänzung vom September 2016. Ferner wurden befundberichtlich gehört Dr. H. am 04.07.2016 und Dipl.-Psych. J. am 24.01.2017.

Die Verwaltungsakte wurde dem Verfahren beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachverhaltsaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte vorliegend durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Rechtsstreit keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und das Gericht den Sachverhalt als geklärt ansieht.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) ist, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, dieser Verwaltungsakt aufzuheben. § 48 SGB X findet auf alle Verwaltungsakte mit Dauerwirkung und damit auch auf feststellende Verwaltungsakte, wie sie die Bescheide nach § 69 SGB IX (Sozialgesetzbuch, 9. Buch) darstellen, Anwendung. Zu den faktischen Verhältnissen im Si...

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