Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Hinterbliebenenrente. Deutsch. Polnisches Sozialversicherungsabkommen. Anwendung. Völkerrecht

 

Orientierungssatz

1. Die Regelungen des Art 4 Abs 1 bis 3 des Deutsch - Polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9.10.1975 (juris: RV/UVAbk POL) kommen in Bezug auf Hinterbliebenenrentenleistungen bei denen ein Anwartschaftsrecht erst nach dem 31.12.1990, beziehungsweise beim Sonderfall des Art 27 Abs 4 des Deutsch - Polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 8.12.1990 (juris: SozSichAbk POL), erst nach dem 30.6.1991 vorliegt, zumindest dann nicht zur Anwendung, wenn die Rente des Versicherten zum Zeitpunkt seines Ablebens bereits nicht mehr unter Anwendung der Vorschrift des Art 4 des DPSVA 1975 (juris: RV/UVAbk POL) unter Berücksichtigung von Zeiten aus dem anderen Vertragsstaat geleistet wurde.

2. Der Hinterbliebene erwirbt frühestens mit dem Ableben des Versicherten eine Anwartschaft iS des Art 27 Abs 2 DPSVA 1990 (juris: SozSichAbk POL).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2016 verpflichtet, den Rentenbescheid der Klägerin vom 8. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2016 abzuändern und die Rente der Klägerin ab Rentenbeginn unter Berücksichtigung der Anzahl der Entgeltpunkte zu gewähren, die zuletzt bei der Rentengewährung des verstorbenen Versicherten aufgrund der von dem verstorbenen Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt wurden.

2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägerin zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Witwenrente. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Gewährung einer Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin für die bis zum 31. Dezember 1990 in Deutschland zurückgelegten Zeiten in die Versicherungslast der Beklagten oder des polnischen Sozialversicherungsträgers fällt.

Die am ... ... 1949 geborene Klägerin ist die Witwe des am ...... 1935 geborenen und am ...... 2015 verstorbenen Versicherten H. W. K. Die Klägerin besitzt die polnische Staatsangehörigkeit und ist nicht anerkannte Vertriebene oder Spätaussiedlerin im Sinne des Fremdrentengesetzes. Die Klägerin lebte im Zeitraum 1970 bis 1982 in Berlin. Seitdem wohnt die Klägerin durchgehend in Polen.

Der Ehemann der Klägerin ist als anerkannter Vertriebener / Spätaussiedler am 22. August 1966 nach Deutschland eingereist. Seit dem 10. Oktober 1966 hat der Versicherte im Bundesgebiet Pflichtbeitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Für den Zeitraum vom 27. Januar 1954 bis 25. November 1963 und vom 1. August 1982 bis 31. August 1984 hat der Versicherte in Polen Beitragszeiten zurückgelegt. Seit dem 1. September 1984 lebte und arbeitete der Versicherte wieder in Deutschland. Im Zeitraum ab November 2004 bis zu seinem Ableben lebte der Versicherte wieder mit seiner Ehefrau in Z. G. in Polen.

Mit Bescheid vom 4. November 2005 berechnete die Beklagte die Altersrente des Versicherten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 1. Dezember 2004 neu. Hierbei berücksichtigte sie insgesamt 26,1833 Entgeltpunkte, wobei für den Zeitraum vom 27. Januar 1954 bis 35. November 1963 auch Zeiten nach den Fremdrentengesetz (FRG) Berücksichtigung fanden.

Auf den Antrag der Klägerin vom 30. September 2015 zur Bewilligung einer Witwenrente bewilligte die Beklagte der Klägerin mit dem Bescheid vom 8. März 2016 eine Witwenrente beginnend ab dem 1. September 2015 in Höhe von monatlich 37,35 Euro. Hierbei berücksichtigte sie nur die in Deutschland nach dem 31. Dezember 1990 zurückgelegten deutschen Versicherungszeiten. Die Rentenleistungen für die davorliegenden Zeiten seien in Anwendung des Deutsch - Polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 (im Weiteren DPSVA 1975) vom polnischen Versicherungsträger zu erbringen, da die Klägerin vor dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnsitz in Polen genommen und diesen seitdem dort beibehalten hat.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2016 legte die Klägerin gegen die vorgenannte Entscheidung der Beklagten Widerspruch ein. Zur Begründung des Widerspruches führte dieser aus, dass das DPSVA vom 9. Oktober 1975 zwar von einem “Berechtigten„ spreche, nach dessen Wohnsitz sich die Anwendung der jeweiligen Vorschriften richten sollten. Dieses widerspreche jedoch dem Charakter der Witwenrente als einen Anspruch des Versicherten. Daher sei auf dessen Wohnsitz abzustellen. Sowohl die Kommentierung als auch die Rechtsprechung behandle den Anspruch auf Leistungen für die Hinterbliebenen als Ansprüche des Verstorbenen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Beklagte behielt ihre Auffassung bei, dass auf die Klägerin mit Rücksic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge