Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragbarkeit bzw Pfändbarkeit des Rentenantragsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Rentenantragsrecht ist nicht pfändbar (entgegen LG Wiesbaden vom 18.7.1995 - 4 T 250/95 = NJW-RR 1996, 59). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss das Rentenantragsrecht ausdrücklich gepfändet worden ist oder ob lediglich die Einziehung der Rente dem Vollstreckungsgläubiger Überwiesen worden ist.

2. Durch die Pfändung des Rentenanspruchs erwirbt der Pfändungsgläubiger nicht zugleich das Recht, den Antrag auf Durchführung des Rentenverfahrens für den Schuldner oder im eigenen Namen zu stellen.

3. Der Pfändungsgläubiger kann den Schuldner nur durch gerichtliche Entscheidung zur Abgabe der eigenen öffentlich-rechtlichen Willenserklärung (Rentenantragstellung) verurteilen lassen mit der Folge, dass mit Rechtskraft des Urteils die Erklärung als abgegeben gilt (§ 894 Abs 1 ZPO).

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Rentenantragsrecht handelt es sich um ein nicht übertragbares, unveräußerliches Recht, das nur von dem Berechtigten selbst ausgeübt werden kann (vgl zur verwandten Frage der Rechtsnatur eines Beitragserstattungsantragsrechts: BSG vom 6.2.1991 - 13/5 RJ 18/89 = BSGE 68, 144 = SozR 3-1200 § 53 Nr 1).

2. Ist im Hinblick auf die rechtlichen und schutzwürdigen Interessen des Gläubigers die Realisierung eines sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs zumutbar, so ist der Schuldner durch entsprechendes gerichtliches Verfahren gemäß § 895 Abs 1 ZPO zur Abgabe einer entsprechenden Antragserklärung zu verpflichten.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die rückwirkende Bewilligung eines Altersruhegeldes für die Zeit von September 1994 bis Dezember 1996 an den getrennt lebenden Ehemann und Auszahlung der hiervon pfändbaren Beträge aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

Die Klägerin erwirkte für sich und ihre Tochter, die Beigeladene zu 2., gegen ihren getrennt lebenden Ehemann, den ... 1931 geborenen Beigeladenen zu 1) -- zum Rechtsstreit beigeladen durch Beschluss vom 28. November 1996 --, einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts ... vom 5. September 1994 (Geschäftsnummer: ...) wegen rückständiger Unterhaltsforderungen und Anspruchs auf laufenden Unterhalt. Hierin wurde unter anderem die Forderung des Beigeladenen gegen die Beklagte auf Zahlung von Rente einschließlich des Rentenanwartschaftsrechts und des Rechts auf Beantragung der Rente einschließlich Nachzahlungsansprüchen nach Maßgabe der §§ 850 ff., 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) gepfändet.

Die Klägerin legte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts ... vom 5. September 1994 am 21. September 1994 bei der Beklagten vor, die die Forderung mit Schreiben vom 29. September 1994 anerkannte und mitteilte, dass keine Zahlungen geleistet werden könnten, da dem Beigeladenen zu 1) keine Leistungen gewährt würden.

Das Amtsgericht ... erklärte durch Beschluss vom 10. April 1995 den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 5. September 1994 insoweit für unzulässig -- folgend der Erinnerung der Beklagten, damalige Drittschuldnerin --, als das Recht auf Beantragung der Rente gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sei.

Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin wies das Landgericht Wiesbaden mit Beschluss vom 18. Juli 1995 (Geschäftsnummer: ... (NJW-RR 1996, 59)) zurück und führte zur Begründung aus, da Recht auf Beantragung der Rente sei nicht pfändbar, das es lediglich Komplementär-Charakter zu dem Anspruch habe, den es realisieren solle. Dabei könne dahinstehen, ob das Antragsrecht wegen seiner höchstpersönlichen Natur bereits unpfändbar sei. Wenn dies nicht der Fall sei, so habe es doch lediglich Komplementär-Charakter. Bereits durch die Pfändung des Rentenanspruchs erwerbe der Pfändungsgläubiger grundsätzlich auch das Recht, den Antrag zur Durchführung des Rentenverfahrens zu stellen. Durch die Überweisung des Rentenanspruchs zur Einziehung gemäß § 835 ZPO erlangten die Gläubiger gemäß § 836 Abs. 1 ZPO auch das Recht, selbst anstelle des Schuldners den entsprechenden Antrag zu stellen. Dies sei der Fall, da auf Sozialleistungen grundsätzlich gemäß § 38 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) ein klagbarer Anspruch bestehe, den der Gläubiger nach Überweisung im eigenen Namen geltend mache könne.

Unter Hinweis auf diesen Beschluss forderte die Klägerin die Beklagte am 23. August 1995 zur Übersendung der Rentenantragsformulare auf und übersandte am 27. September 1995 entsprechend durch die Klägerin ausgefüllte Antragsformulare. In der Folgezeit teilte die Beklagte der Klägerin durch mehrere Schreiben mit, dass sie der Auffassung sei, das Landgericht W habe in seiner Entscheidung vom 18. Juli 1995 bestätigt, dass es sich bei dem Rentenantragsrecht um ein höchstpersönliches, nicht übertragbares bzw. pfändbares Recht handele.

Die Klägerin legte ein Schr...

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