Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. geplante geringfügige Unterbrechung. Tanken in Fahrtrichtung

 

Orientierungssatz

Eine Versicherte, die auf ihrem üblichen Weg von der Arbeitsstätte nach Hause verunglückt, steht auch dann gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie auf dieser Wegstrecke noch tanken wollte (Tankstelle in Fahrtrichtung), da durch das geplante "Zwischenziel Tankstelle" die Handlungstendenz im Hinblick auf das Erreichen der Wohnung nicht aufgegeben wurde.

 

Tenor

Der Bescheid vom 16.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2014 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass das Unfallereignis vom 19.07.2013 ein Versicherungsfall ist.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass es sich bei ihrem Unfall am 19.07.2013 um einen Versicherungsfall (Wegeunfall) handelt.

Die Klägerin war als Fachverkäuferin bei einer Bäckerei in der D-Straße in A-Stadt beschäftigt.

Am 19.07.2013 befand sie sich nach dem Ende ihrer Arbeitszeit (19 h) mit ihrem Motorroller auf dem Heimweg in die A-Straße in A-Stadt., als sie lt. Durchgangsarztbericht der AAJ.Kliniken (Prof. ZP) vom selben Tag auf dem Hindenburgring mit dem Roller ausrutschte und hinfiel. Die Klägerin erlitt eine Fraktur des Schlüsselbeins und der Rippe und Schürfwunden und musste stationär behandelt werden. Sie wurde operiert und anschließend physiotherapeutisch behandelt.

Im Wegeunfallfragebogen gab die Klägerin am 15.08.2013 an, für den Heimweg wähle sie gewöhnlich den Weg über Marienbaderplatz, Hessenring, Hindenburgring. Dies sei der direkte Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Am Unfalltag sei sie wie gewöhnlich gefahren und der Unfall habe sich am Marienbaderplatz Richtung Hessenring ereignet. Sie habe auf dem Weg keine Besorgungen machen wollen.

Auf die Nachfrage der Beklagten, warum die Klägerin nicht direkt über die FC.-AY.- Promenade und die Höhestraße nach Hause gefahren, sondern über den Marienbaderplatz/Hessenring gefahren sei, teilte die Klägerin am 28.10.2013 mit: "Ich bin über Hessenring/Marienbaderplatz gefahren, weil ich an der Esso Tankstelle [Hessenring 99; Anm. d. Verf.] tanken wollte, ansonsten fahre ich nie über Kisseleffstraße/Höhestraße, weil mir die parkenden Autos zu gefährlich sind, wenn sie rückwärts ausparken." Auf weitere Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin ergänzend unter dem 15.11.2013 mit: "Es war notwendig zu tanken, daher war es an diesem Tag nicht unbedingt geplant, jedoch liegt die Tankstelle auf meinem regelmäßigen Weg nach Hause. Es ist die Tankstelle, an der ich gewöhnlich tanke. Es ist der Weg von und zur Arbeit, den ich immer nehme, da der Weg über die FC.-AY.-Promenade für ein Mofa zu gefährlich ist.

Die Beklagte holte bei der Stadt A-Stadt eine Auskunft ein, die Herr MP unter dem 03.02.2014 abgab. Hierin teilte er mit, dass er persönlich die Strecke über die FC.-AY.- Promenade (Höhestraße) wählen würde, weil dieser kürzer sei und die Gefahr als Zweiradfahrer sich im normalen Bereich verhalte. Aufgrund der Einbahnstraßenregelung sei die Strecke über den Marienbaderplatz möglich, führe aber über die mit verkehrsstärkste 4-spurige Straße (Hessenring) und werde nicht oft von Zweiradfahrern benutzt. Die sicherste Strecke führe über die Schöne Aussicht am Schloss vorbei, welche durch die Sackgassenregelung für mehrspurige Fahrzeuge nicht stark genutzt werde und somit die ungefährlichste Strecke sei.

Zu dieser Auskunft der Stadt A-Stadt gab die Klägerin am 03.04.2014 eine Stellungnahme dahingehend ab, dass sie den Weg über den Hessen- und Hindenburgring immer genommen habe. Außerdem habe sie an diesem Tag noch tanken müssen. Die Esso Tankstelle sei die einzige Tankstelle, die auf der richtigen Straßenseite liege. Die Strecke über die FC.-AY.-Promenade und Höhestraße sei zwar der kürzeste Weg, komme aber für den Heimweg nicht in Frage, weil diese eine sechs Meter breite Straße mit beidseitigen Parkbuchten sei. Der gesamte Linienbusverkehr der Stadt A-Stadt führe im Minutentakt in beide Richtungen über eben diese Straße. Außerdem handele es sich um eine der meistbefahrenen Straßen von A-Stadt. Jeder Fahrrad-, Roller- und Mofafahrer meide diese Straße wie die Pest. Der Weg um das Schloss herum sei nur für Anlieger frei. Außerdem sei die Dorotheenstraße, die anschließend passiert werden müsse, im letzten Jahr wegen Bauarbeiten voll gesperrt gewesen und die Umleitung über den Hessenring geführt worden.

Herr MP nahm auf das Schreiben der Klägerin vom 03.04.2014 unter dem 10.04.2014 wie folgt Stellung: Auf der FC.-AY.-Promenade fahre lediglich auf einer Länge von 300 m der Busverkehr. Die Streckenwahl über den Hessenring sei wegen der Fahrzeugdichte und der gefahrenen Geschwindigkeiten die gefährlichste Strecke für Zweiräder, weshalb dort auch nur ganz selten Zweiradfahrer anzutreffen sei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge