Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Unterbrechung des direkten Weges. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Tanken. Ende der unversicherten Wegeunterbrechung. Erreichen der Arbeitsstätte. nach außen erkennbares Zeichen. Fortsetzung des Arbeitsweges: versuchtes Einordnen in den Straßenverkehr

 

Orientierungssatz

1. Eine unversicherte Wegeunterbrechung endet, wenn der Versicherte die Fortbewegung zum versicherten Ziel wieder aufgenommen hat, mit der Handlungstendenz, dieses wieder zu erreichen. Hierbei reicht es bei Fortbewegung mit einem Kfz und abgrenzbaren Unterbrechungswegen nicht aus, wenn der Versicherte auf dem Unterbrechungsweg umkehrt, beziehungsweise bereits wieder auf dem Rückweg zu seinem Fahrzeug ist. Bei abgrenzbaren Wegen ist als objektives Kriterium zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes eine das Ende der Unterbrechung nach natürlicher Betrachtungsweise markierenden Handlung zu fordern, welche aus Sicht des objektiven Betrachters die Unterbrechung von außen erkennbar beendet (Vergleiche BSG vom 31.8.2017 - B 2 U 11/16 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 62).

2. Besteht die unversicherte Wegeunterbrechung darin, dass ein Tankstellengelände mit dem Ziel eines unversicherten Tankvorgangs befahren wurde, so endet diese Unterbrechung mit dem Verlassen des Tankstellengeländes und der Wiederaufnahme des versicherten Arbeitsweges. Für die Wiederaufnahme des versicherten Arbeitsweges ist es nicht notwendig, dass der Versicherte sich erfolgreich in den fließenden Verkehr eingefädelt hat. Es ist ausreichend, wenn er beim Versuch des Einfädelns verunfallt (Anschluss an BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 49).

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2018 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der von der Klägerin am 16. Januar 2012 in Höhe des Tankstellengebäudes L Straße ... in ... F erlittene Verkehrsunfall einen Arbeitsunfall darstellt.

3. Die Beklagte hat 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob das Ereignis vom 16. Januar 2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Die am .... ... 1975 geborene Klägerin ist gelernte Kunststoffformgeberin und Einzelhandelskauffrau. In den Zeiträumen Juli 2010 bis Dezember 2010 und Januar 2011 bis Dezember 2012 war die Klägerin im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen bei der Stadt F beschäftigt.

Am 16. Januar 2012 befand sich die Klägerin mit ihrem PKW auf dem Rückweg von ihrem Arbeitsplatz nach Arbeitsende um 13.00 Uhr nach Hause. Sie befuhr dabei die L Straße aus Richtung der S-brücke kommend auf der rechten Seite. Gegen 13.20 Uhr fuhr die Klägerin auf das Gelände der aus Fahrtrichtung der Klägerin gesehen rechts von der L Straße gelegenen A - Tankstelle um dort nach ihrer schriftlichen Aussage vom 3. Februar 2012 zu tanken. Hierfür hielt sich die Klägerin etwa drei bis fünf Minuten auf dem Gebiet der Tankstelle auf. Danach begab sich die Klägerin wieder in ihrem PKW und fuhr über das Tankstellengelände bis zur L Straße. Beim Versuch des erneuten Einbiegens mit dem Ziel der Fortsetzung der Fahrt auf der rechten Straßenseite in Richtung der B Chaussee auf die L Straße übersah die Klägerin einen sich auf der L Straße von links nähernden LKW. Ihr Fahrzeug wurde auf der linken Seite von dem LKW erfasst.

Die Klägerin wurde mit einem Rettungswagen in das H Klinikum B verbracht, wo die Diagnosen eines Schädel – Hirn – Traumas ersten Grades, von HWS – und LWS – Distorsionen und einer Prellung des linken Oberschenkels gestellt wurden.

Mit Bescheid vom 12. September 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des vorgenannten Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das Unfallereignis nicht im Zusammenhang mit der Zurücklegung eines Arbeitsweges gestanden habe. Die Klägerin habe eine Tankstelle aufgesucht, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit darstelle. Der Versicherungsschutz setze erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit des Tankens beendet sei und die Handlungstendenz nach außen erkennbar darauf gerichtet sei, den versicherten Weg wieder aufzunehmen. Da sich der Unfall während des Abbiegevorgangs von der A – Tankstelle in den fließenden Straßenverkehr ereignete, habe sich die Klägerin noch nicht wieder auf dem direkten Rückweg befunden. Die Handlungstendenz sei zu diesem Zeitpunkt auf das Verrichten einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit und dementsprechend einer nicht versicherten Tätigkeit gerichtet gewesen.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. September 2016 legte die Klägerin gegen die vorgenannte Entscheidung der Beklagten Widerspruch ein. Dieser führte aus, dass die Unterbrechung des versicherten Weges nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ende, wenn der Versicherte wieder auf der Fahrbahn in Richtung seiner ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge