Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Leistungsansprüche aus einem Arbeitsunfall. Gewährung einer Verletztenrente. Zulässigkeit einer Leistungsklage zur Geltendmachung eines Verletztengeldes. Anspruch auf Löschung eines Sachverständigengutachtens aus der Verwaltungsakte nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens

 

Orientierungssatz

1. Eine Leistungsklage auf Gewährung von Verletztengeld wegen eines Gesundheitsschadens durch einen Arbeitsunfall für Zeiträume, für die noch keine Entscheidung des Unfallversicherungsträgers zum Verletztengeld ergangen ist, ist bereits unzulässig.

2. Wurde bis zum Abschluss eines Sozialverwaltungsverfahrens über die Gewährung einer Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall eine Verletzung des Auswahlrechts in Bezug auf einen im Verfahren beauftragten Sachverständigen nicht geltend gemacht, kann ein Löschungsanspruch in Bezug auf das Gutachten nachträglich nicht mehr geltend gemacht werden.

3. Einzelfall zur Berücksichtigung von Schmerzzuständen als Gesundheitsschaden nach einem Arbeitsunfall.

4. Einzelfall zur Berücksichtigung einer Anpassungsstörung als Gesundheitsschaden nach einem Arbeitsunfall.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2006 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom 25. Dezember 2002 bis 31. Juli 2009 eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines als Arbeitsunfall anerkannten Wegeunfallereignisses vom 25. November 2002.

Die 1968 geborene Klägerin war am Unfalltag auf dem Heimweg von einem PKW erfasst worden und hatte sich hierdurch eine Gesichtsfraktur zugezogen. Sie wurde mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus Nordwest gebracht, wo sie um 17.30 Uhr eintraf. Nach ambulanter und röntgenologischer Untersuchung diagnostizierten die behandelnden Ärzte eine Jochbogenfraktur links, eine Sternumfraktur, eine Orbitabodenfraktur links sowie eine Rippenfraktur links. Vor Abschluss weiterer Untersuchungen verließ die Klägerin um 21.10Uhr die Klinik, ohne die diensthabenden Ärzte zu informieren (Durchgangsarztbericht vom 25. November 2002, I/1). Am 29. November 2002 suchte sie die B-Privatklinik auf. Dort wurden ihre Mittelgesichtsfrakturen am 30. November 2002 durch Dr. med. Dr. dent C. operativ versorgt. Anschließend wurde die Klägerin von diesem Arzt ambulant weiterbehandelt. Der Wundheilungsverlauf wird von ihm als regelrecht beschrieben (Bericht vom 22. April 2003, I/69). Am 18. Juni 2003 führte er eine Korrektur der von ihm angegebenen Gesichtsasymmetrie mit Einbringung eines Jochbeinimplantats durch (Bericht vom 8. Juli 2003, I/80).

Der Facharzt für Augenheilkunde Dr. med. D. kam in seinem Gutachten vom 26. September 2005 nach ambulanter Untersuchung vom 8. September 2005 zu dem Ergebnis, dass eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf augenärztlichem Fachgebiet nicht bestehe. Der Unfall habe zwar zu einem geringfügigen Einsinken des Augapfels in die Augenhöhle (Enophthalmus) geführt habe. Die bei der Klägerin gefundenen Refraktionsänderungen im Sinne einer Kurzsichtigkeit beträfen jedoch beide Augen und könnten daher nicht Folge der ausschließlich linkseitigen Verletzungen bzw. operativen Behandlungen im Bereich der Augenhöhle sein (II/213).

Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. November 2005 (II/227) einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen ihres Versicherungsfalles vom 25. November 2002 ab, da deren Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Grad über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus gemindert sei. Als Folgen des Versicherungsfalles erkannte sie an:

Nach operativer Versorgung und Rekonstruktion ohne Funktionseinschränkungen verheilte Jochbeinfraktur links, Jochbogenfraktur links, Orbitabogenfraktur links, Kieferhöhlenwandfraktur links, Abriss des Nervus infraorbitalis sowie das Zurücksinken des linken Augapfels in die Orbita von 2 mm.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 Widerspruch (II/245) und machte geltend, der Unfall habe zu einem Substanzverlust am knöchernen Schädel, zu einer Gesichtsentstellung einschließlich Enopthalmus, zu Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich, zu häufigen Gesichtsneuralgien, zu einem Brustkorbdefekt mit gemindertem Lungenvolumen, zu starken Sehstörungen bei Bildschirmarbeiten über eine Stunde, zu Konzentrationsschwäche, vorzeitiger Ermüdung, Schlafstörung und zu einem Hörsturz nach posttraumatischer Belastungssituation geführt.

Zur weiteren Aufklärung der von der Klägerin geltend gemachten weiteren Unfallfolgen schlug die Beklagte ihr eine Heilverfahrenskontrolle in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) in Frankfurt am Main vor (Schreiben vom 22. Februar 2006, II/278). Zum vereinbarten Termin am 27. Februar...

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