Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rückforderung einer nach Todeseintritt ausgezahlten Rente. Anwendbarkeit der Erbenhaftung als Rückzahlungstatbestand bei Überzahlung nach Todeseintritt
Orientierungssatz
Wurde eine Rentenzahlung durch den Rentenversicherungsträger noch nach dem Tod des Rentenempfängers vorgenommen, so ist für die Frage der Rückerstattung die Erbenhaftung nicht anwendbar, da die Rentenzahlung gerade nicht im Rahmen der Erbschaft übernommen wurde.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 23.05.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 27.09.2006 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand
Der 1927 geborene D. T. beantragte im November 1990 Erwerbsfähigkeitsrente. Mit Bescheid vom 15.10.1991 wurde sie ihm bewilligt. Er verstarb am 06.06.2001. Seiner Witwe wurde mit Bescheid vom 11.02.2002 große Witwenrente ab 01.07.2001 bewilligt. Diese verstarb am 30.08.2005.
Die Beklagte stellte eine Überzahlung der Witwenrente für die Monate September und Oktober 2005 in Höhe von insgesamt 864,34 Euro fest. Die kroatische Bank teilte mit, sie könne nichts zurück überweisen, der Sohn der Verstorbenen habe das Geld am Geldautomaten abgehoben, eine Kontovollmacht gebe es nicht. Ein Ausdruck der Kontobewegungen wurde beigefügt.
Die Beklagte hörte die Klägerin zur Frage der Erbenhaftung an. Die Klägerin erwiderte, sie sei eine der beiden Erben. Mit Bescheid vom 23.05.2006 wurde die Klägerin zur Erstattung verpflichtet. Im Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe mit der Rente nichts zu tun gehabt und keinen Einfluss auf Rentenbezug und Geldabhebung gehabt. Geerbt habe sie nur Immobilien. Die Beklagte hörte auch den in Kroatien wohnenden Halbbruder der Klägerin erfolglos zur Frage der Erstattung an und erließ gegen ihn einen Rückforderungsbescheid. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2006 als unbegründet zurück.
Die Klage ging am 24.10.2006 bei dem Sozialgericht ein.
Die Klägerin hat ausgeführt, sie sei Erbin zur Hälfte. Von der Überzahlung und dem Abheben des Geldes habe sie durch die Beklagte erfahren. Sie habe die Beklagte von dem Todesfall verständigt. Von der Rente habe sie nichts bekommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 23.05.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 27.08.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei unerheblich, ob deutsches oder kroatisches Erbrecht anzuwenden sei. Unerheblich sei auch, wer über das überzahlte Geld verfügt habe. Ausreichend sei die Stellung als Erbe. Weder der andere Erbe noch der kroatische Versicherungsträger hätten die Anfragen der Deutschen Rentenversicherung beantwortet. Die Beklagte hat die Rentenakte vorgelegt.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 23.05.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 27.09.2006 sind rechtswidrig und aufzuheben.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erbenhaftung nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI in Verbindung mit § 50 SGB X liegen nicht vor:
(A) Da sich das Bankkonto in Kroatien befand und die Erbschaft nach kroatischem Recht festgestellt wurde, hätte auch die Beklagte die Frage der Erbenhaftung in ihren Bescheiden nach kroatischem Recht beurteilen müssen. Schon dies ist nicht geschehen.
(B) Bei der Frage der Erbenhaftung muss beachtet werden, dass die Rentenempfängerin am 30.08.2005 verstarb (so Sterbeurkunde Bl. 53 Rentenakte), die Gutschriften der streitigen Rentenzahlungen aber am 01.09.2005 und am 03.10.2005 erfolgten (siehe Kontoausdruck Bl. 70 Rentenakte). Schon damit kann keine Erbenhaftung eintreten, weil infolge des bereits vorher eingetretenen Todesfalls die Bankgutschriften ins Leere liefen. Der Erbe würde nur im Rahmen der Vorbehaltswirkung der Zahlung haften, wenn die Gutschrift als solche noch zu Lebzeiten des Berechtigten erfolgen würde. Für den Verbleib nachträglich Geldeingänge trifft den Erben keine Verantwortung. Auf §§ 1967, 2058 BGB sei noch hingewiesen.
(C) Folglich haftet nur der tatsächliche Empfänger der Zahlungen gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG.
Fundstellen