Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als abhängig Beschäftigter oder selbständig Tätiger zu beurteilen ist.

3. Verfügt dieser über keine Sperrminorität, ist er der Gesellschafterversammlung gegenüber weisungsgebunden, bezieht er ein festes monatliches Gehalt, hat er Anspruch auf bezahlten Urlaub und ein wesentliches unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin zu 2) trägt die Kosten des Verfahrens. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

3. Für das Verfahren der Klägerin zu 2) wird der Streitwert auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu 1) in dem Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 20. März 2012 in seiner Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter sowie seit 21. März 2012 als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 2) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Der Kläger zu 1), geboren 1978, ist Kraftfahrzeugmechaniker und war als selbstständiger Unternehmer im Online-Handel tätig. Er war bis Juni 2009 bei der Beigeladenen zu 3) gesetzlich krankenversichert und bei der Beigeladenen zu 4) pflegeversichert. Seitdem ist er bei einem privaten Versicherungsunternehmen krankenversichert. Mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 2009 gründete er zusammen mit Herrn C. C. die zu 2) klagende GmbH. Auf das Stammkapital in Höhe von 25.000,00 € übernahmen der Kläger zu 1) einen Geschäftsanteil von 10.000,00 € (40 %) und Herr C. einen Geschäftsanteil von 15.000,00 € (60 %). Gegenstand des im Handelsregister beim Amtsgericht Hanau (Registerblatt xxx1) eingetragenen Unternehmens ist der Handel mit Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge im Internet sowie alle damit im Zusammenhang stehende Dienst-, Service- und Werkleistungen. In § 5 des Gesellschaftsvertrags wird bestimmt, dass die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer hat. Ist nur ein Geschäftsführer vorhanden, vertritt dieser die Gesellschaft alleine. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, erfolgt die Vertretung durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung kann auch bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer jeder einzelne Geschäftsführer zur Alleinvertretung der Gesellschaft ermächtigt werden. Einzelnen Geschäftsführern kann Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erteilt werden. Wegen der weiteren Bestimmungen des Vertrags wird Bezug genommen auf Blatt 19 bis 25 der Verwaltungsakte der Beklagten. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 18. Dezember 2009 wurde Herr C. zum alleinigen, alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen, bestellt.

Dem Kläger zu 1) war auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags vom 10. Januar 2011 in dem Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 12. März 2012 die verantwortliche Leitung als System- und Webadministrator und die organisatorische und personelle Leitung des Versandwesens der Klägerin zu 2) übertragen. Das „Arbeitsverhältnis“ bezog sich auf eine Tätigkeit am Firmensitz der Gesellschaft in C-Stadt (§ 2) und begann unbefristet am 1. Januar 2011 (§ 3). Die regelmäßige Arbeitszeit betrage 40 Stunden wöchentlich, Beginn und Ende der Arbeitszeit bleibe dem „Arbeitnehmer“ überlassen (§ 4). § 5 regelte die Vergütung des Klägers zu 1). Danach erhielt er ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.000,00 €, ein 13. Monatsgehalt zahlbar mit der Novembervergütung und für das jeweilige Geschäftsjahr eine Tantieme in Höhe von 5 % des Jahresüberschusses vor Steuern und nach Verrechnung eines vorhandenen Verlustvortrages, jedoch begrenzt auf 25 % des Bruttoeinkommens. Des Weiteren war ein Anspruch auf einen kalenderjährlichen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen eingeräumt, dessen zeitliche Wahl mit dem Arbeitgeber abzustimmen war (§ 7). Der Kläger zu 1) war nach § 8 verpflichtet, unter Angabe der Gründe jede Arbeitsverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer u...

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