Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenbehandlung. kein Anspruch auf visuelle Restitutionstherapie

 

Orientierungssatz

Die visuelle Restitutionstherapie gehört nicht zu den von einer Krankenkasse zu erbringenden Sachleistungen.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine Gesichtsfeldtherapie in Höhe von 2.350 Euro nach den Vorschriften des Fünften Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).

Die 1984 geborene Klägerin leidet seit einer Sinusvenenthrombose mit Stauungsblutung im Gehirn im Juni 2014 an einer ausgeprägten Gesichtsfeldeinschränkung auf beiden Augen.

Am 06.05.2015 beantragte die Klägerin die Erstattung der Kosten für die durchgeführte Gesichtsfeldtherapie. Sie habe auf Anraten ihres behandelnden Arztes mit der Gesichtsfeldtherapie begonnen. Die nach zwei Monaten erzielten Ergebnisse seien vielversprechend. Sie beantrage die bereits entstandenen Kosten in Höhe von 2.350 Euro zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 12.05.2015 und 18.06.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei dem visuellen Restitutionstraining um eine neue Behandlungsmethode handele. Die Kosten könnten nur übernommen werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) diese anerkannt habe. Die von der Klägerin beantragte Therapie sei nicht vom GBA anerkannt.

Gegen die Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein.

Am 02.06.2015 erstattete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) der Beklagten ein Gutachten. Dieser führte aus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung nicht vorliege. Es könne damit auch keine gleichgestellte Erkrankung anerkannt werden. Eine Erblindung drohe nicht. Die Voraussetzungen des BVerfG-Urteils zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien kumulativ nicht erfüllt. Es seien vertragliche Behandlungsmethoden vorhanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zum einen scheitere ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V daran, das die Behandlung bereits zwei Monate durchgeführt worden sei bevor ein Antrag gestellt worden sei. Zum anderen scheitere ein Anspruch auch an materiell-rechtlichen Gründen. Für nicht anerkannte Behandlungsmethoden komme eine Kostenerstattung nicht in Betracht. Auch das BVerfG-Urteil vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) sei nicht anwendbar. Der MDK habe bestätigt, dass keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegen würde und andere Behandlungsmethoden vorhanden seien.

Hiergegen richtet sich die erhobene Klage. Die visuelle Therapie sei keine ärztliche Behandlungsmethode, da die Klägerin diese zu Hause am PC durchführe. Es handele sich dabei um einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach § 33 SGB V.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 12.05.2015 und 18.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für eine Gesichtsfeldtherapie in Höhe von 2.350 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stützt sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben worden (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 12.05.2015 und 18.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht eine Kostenerstattung der Gesichtsfeldtherapie abgelehnt.

Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 SGB V. Danach ist eine Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für eine von dem Versicherten selbst beschaffte Leistung verpflichtet, wenn sie entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang besteht. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R - juris Rn. 15).

§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V scheidet nach Ansicht der Kammer mangels unaufschiebbarer Leistung aus. Die Kammer schließt sich dem überzeugenden Gutachten des MDK vom 01.06.2015 an, der eine unaufschiebbare Leistung ebenfalls verneint.

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V liegen ebenfalls nicht ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge