Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. gebrauchter Fernseher. Rückgriff auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Erstausstattungsbegriff
Orientierungssatz
1. Zur Erstausstattung für die Wohnung iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 gehören sämtliche Einrichtungsgeräte und -gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung erforderlich sind und dem Hilfeempfänger ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen.
2. Auch ein Fernsehgerät zählt zur Erstausstattung. Es stellt ein Einrichtungsgerät dar, das üblicherweise in Haushalten unterer Einkommensgruppen vorhanden und iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 zur geordneten Haushaltsführung erforderlich ist (vgl SG Magdeburg vom 15.6.2005 - S 27 AS 196/05 ER, LSG Halle vom 18.12.2008 - L 2 B 449/08 AS ER, LSG Essen vom 2.3.2009 - L 19 AS 78/08, SG Oldenburg vom 12.1.2006 - S 47 AS 1027/05 ER, SG Hamburg vom 14.11.2006 - S 56 SO 187/06, zum Erstattungsanspruch nach dem SGB 12 vgl LSG Berlin-Potsdam vom 13.7.2006 - L 15 B 143/06 SO ER und LSG Schleswig vom 8.8.2007 - L 9 B 426/07 NZB).
3. Bei der Bestimmung des Begriffs der Erstausstattung kann auf die vormalige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu § 21 Abs 1a Nr 6 BSHG zurückgegriffen werden (vgl BVerwG vom 18.12.1997 - 5 C 7/95 = BVerwGE 106, 99).
4. Im Rahmen des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf Leistungen für die Anschaffung gebrauchter Gegenstände, da der Kauf gebrauchter Haushaltsgegenstände einem üblichen, sparsamen Verhalten entspricht (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 3.4.2008 - L 19 AS 1116/06, LSG Halle vom 14.2.2007 - L 2 B 261/06 AS ER). Etwas anderes gilt, wenn der Verweis auf einen gebrauchten Gegenstand wegen dessen Eigenart unzumutbar ist.
5. Ein Betrag von 60 € für einen gebrauchten Fernseher ist angemessen (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 13.7.2006 aaO).
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 09.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2006 verurteilt, der Klägerin Leistungen für die Anschaffung eines gebrauchten Fernsehgerätes in Höhe von 60 € zu gewähren.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Leistungen für die Anschaffung eines Fernsehgerätes.
Die 1986 geborene Klägerin bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die Klägerin, die bis dahin bei ihren Eltern wohnte, zog am 24.10.2005 in eine eigene Wohnung und beantragte am selben Tag Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Antrag umfasste auch einen Zuschuss für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich eines Fernsehgerätes.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 09.11.2005 einen Betrag von 830 € für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten. Dem Antrag vom 24.10.2005 könne nur teilweise entsprochen werden. In einer die gewährte Leistung aufschlüsselnden Aufstellung fehlte das beantragte Fernsehgerät.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.11.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie an, zu Unrecht seien keine Leistungen für die Anschaffung eines Fernsehgerätes bewilligt worden. Ein solches Gerät, das sie nicht besitze, zähle zur Erstausstattung einer Wohnung, auf die sie nach dem SGB II Anspruch habe. Sie bezog sich dabei ausdrücklich auf ein gebrauchtes Fernsehgerät.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Fernsehgerät zähle nicht zur Erstausstattung einer Wohnung im Sinne des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II. Zur Erstausstattung gehöre nur diejenige Grundausstattung, die eine geordnete Haushaltsführung und damit die existenzielle Grundsicherung gewährleiste. Ein Fernsehgerät diene nicht der geordneten Haushaltsführung, sondern nur der Unterhaltung und Information. Es stelle kein Haushaltsgerät im eigentlichen Sinne dar. Die Mittel für die Anschaffung eines Fernsehgerätes seien aus der Regelleistung zu bestreiten bzw. anzusparen. Insofern bestehe auch kein unabweisbarer Bedarf nach § 23 Abs. 1 SGB II, der ausnahmsweise die Gewährung eines Darlehens für die Anschaffung eines Gegenstandes rechtfertige, der von der Regelleistung umfasst sei. Denn die Anschaffung eines Fernsehgerätes sei angesichts anderer Möglichkeiten zur Information und Unterhaltung -so etwa durch die Lektüre von Zeitungen oder Fernsehabende bei Nachbarn -nicht erforderlich.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.04.2006 Klage erhoben. Ein Fernsehgerät gehöre als Teil des soziokulturellen Existenzminimums zum Hilfebedarf. Es stelle ein Element der Teilnahme am kulturellen Leben dar. Dies sei durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) anerkannt gewesen und gelte in gleicher Weise auch für das SGB II. Soweit im Regelsatz Leistungen für Möbel und Hausrat enthalten seien, diene dies nicht der Ers...