Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Pflegegeldleistung gem § 44 SGB 7. Feststellung des Kausalzusammenhangs. Prüfung der Hilfelosigkeit. Höhe des Pflegegeldes. Ermessensausübung. Leistungsbeginn
Orientierungssatz
1. Die Feststellung des Kausalzusammenhangs erfolgt bei der Prüfung der Hilfelosigkeit im Sinne des § 44 SGB 7 nicht nach den völlig gleichen Kriterien wie bei der Bestimmung der MdE im Sinne des § 56 SGB 7. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Versicherter in Folge des Versicherungsfalles hilfebedürftig ist, ist nicht wie bei der Verletztenrente der Eintritt des unfallbedingten Gesundheitsschadens das letzte Glied der Prüfungskette, sondern erst der Eintritt der Hilfelosigkeit. Unfallbedingte Hilfelosigkeit kann auch durch das Hinzutreten eines nicht versicherten unfallfremden Gesundheitsschadens ausgelöst werden, wenn im Sinne einer Betrachtung des gesamten Schadensbildes die unfallbedingten Gesundheitsschäden als wesentliche Mitursache für den Eintritt der Hilfebedürftigkeit zu werten sind (Anschluss an BSG vom 19.6.1962 - 11 RV 1188/60 = BSGE 17, 114 = SozR Nr 15 zu § 30 BVG RdNr 25; BSG vom 21.9.1967 - 2 RU 65/66 = BSGE 27, 142 = SozR Nr 4 zu § 622 RVO RdNr 20).
2. Bei der Bestimmung des Höhe des Pflegegeldes im Sinne des § 44 SGB 7 hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherungen eine Ermessensentscheidung zu treffen. Ein gebundener Anspruch besteht wenigstens in Höhe des Mindestbetrages des § 44 Abs 2 SGB 7 (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 23.10.2013 - L 3 U 216/10 = juris RdNr 43 ff)
3. Bei der Bewertung der Höhe des Pflegegeldes ist kein Abzug für unfallfremde Faktoren die mitursächlich für den Eintritt und das Bestehen der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 44 Abs1 SGB 7 sind, zulässig, da es sich bei der Hilfebedürftigkeit um einen nicht teilbaren "Gesamtschaden" handelt (vgl BSG vom 28.2.1990 - 2 RU 25/89 = SozR 3-2200 § 558 Nr 2 RdNr14 ff).
4. Beginn der Pflegegeldleistungen nach § 44 SGB 7 zu Gunsten des Klägers ist entsprechend der Norm des § 40 SGB 1 der Beginn der Hilfebedürftigkeit und mit dem Nachweis der tatsächlichen Pflege, wobei die Leistungen nach § 96 Abs 1 SGB 7 rückwirkend zum Monatsersten gewährt werden.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 6. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2014 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. August 1999 Pflegegeld in Höhe des Mindestbetrages nach § 44 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch beginnend ab dem 1. November 2012 zu gewähren und im Übrigen verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegegeld.
Der 1957 geborene Kläger arbeitete in den Jahren 1973 bis 1981 als Transportarbeiter. Nach erfolgreicher Absolvierung eines Lehrgangs zum Lokführer arbeitete der Kläger im Zeitraum 1981 bis 1991 in diesem Beruf. Anschließend arbeitete der Kläger für 3 ½ Jahre als Maschinenführer in einer Schokoladenfabrik. Im Zeitraum 1994 bis 1996 nahm der Kläger an einer von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Umschulungsmaßnahme zum Dachdecker teil, wobei er die theoretische Abschlussprüfung nicht bestand. Anschließend arbeitete der Kläger für einen Dachdeckerbetrieb zunächst als Hilfsarbeiter und später als Polier. Seit dem Jahr 2001 bezieht der Kläger eine volle Erwerbsminderungsrente. Seit dem 19. Juli 2012 ist für den Kläger ein GdB von 80 sowie ein Merkzeichen G und aG anerkannt.
Am 14. August 1999 erlitt der Kläger während einer versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall, als er beim Abbau eines Baugerüsts aus mehreren Metern Höhe von einer Leiter stürzte und mit den Füßen voraus in einen Schacht fiel. Hierbei erlitt der Kläger Trümmerfrakturen beide Fersenbeine. Die Behandlung des Klägers fand im Klinikum E statt, wo der Kläger in Bezug auf diese Verletzung wegen Bruchs des zur Operation eingesetzten Implantatmaterials sowie Arthrosebildungen bis in das Jahr 2005 mehrfach an beiden Sprunggelenken operiert werden musste. Im Endeffekt mussten die Sprunggelenke versteift werden. Hierbei kam es zunächst nicht zu Wundheilungsstörungen. Diese traten erstmalig im Jahr 2004 auf. Der Kläger war nach dem Unfallereignis nur noch mit Hilfe von Unterarmstützen in der Lage, sich fortzubewegen. Von der Beklagten erhielt der Kläger auf Grundlage des Bescheides vom 21. Juni 2002 eine zeitlich unbefristete Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 von Hundert. Als Unfallfolgen erkannte die Beklagte eine aufgehobene Beweglichkeit im Bereich beider unterer Sprunggelenke (Arthrodesen, Versteifung zwischen Fersen- und Sprungbein) hochgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des oberen Sprunggelenks, Verplumpung und Verkürzung der Fersenbeine (links stärker als rechts), und eine Empfindungsminderung in den Narbenbereichen nach beiderseitigem Me...