Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. Blindenhilfe
Orientierungssatz
Für Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsybLG ist ein Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB 12 nicht von vornherein ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 22.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2016 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 23.09.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
2. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen Auslagen dem Grunde nach zu erstatten.
3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 22.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2016 und begehrt die Bewilligung von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII (analog).
Der Kläger ist russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volkszugehörigkeit, geboren am in A. Er reiste am 13.01.2011 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt worden ist. Hiergegen führte der Kläger ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) zum Az. VG 6 Ka 281/14. A. Der Kläger war im Besitz einer Duldung.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat inzwischen den Ablehnungsbescheid wieder aufgehoben, das Asylantragsverfahren wieder aufgenommen und dem Kläger wurde deswegen eine Aufenthaltsgestattung erteilt.
Unter dem 16.05.2012 ist er, seine Ehefrau sowie seine 3 Kinder dem Landkreis Märkisch-Oderland zugewiesen worden. Der Kläger war nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und ist jetzt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anspruchsberechtigt und ihm und seiner Familie werden Analogleistungen jedenfalls seit Juni 2015 durchgehend nach § 2 AsylbLG bewilligt, da er und seine Familie sich bereits länger als 15 Monate ohne Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich (selbst) beeinflusst haben (Bewilligungsbescheide u.a. vom 09.06.2015, vom 18.02.2016 vom 24.07.2017, vom 14.12.2017 und vom 01.08.2018).
Der Kläger ist blind; mit dem Bescheid des Landesamtes für Versorgung und Soziales vom 23.10.2012 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung mit 100 festgestellt und ihm die Merkzeichen G, BL, H und RF zugesprochen.
Am 23.09.2015 beantragte der Kläger selbst, sowie klarstellend durch seine Bevollmächtigte am 12.10.2015 die Gewährung von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII. Mit Bescheid des Beklagten vom 22.07.2016 ist dieser Antrag unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 AsylbLG abgelehnt worden. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 12.08.2016, den der Beklagte mit dem Widerspruchbescheid vom 29.09.2016 als unbegründet zurückgewiesen hat. Wegen der Einzelheiten dieses Bescheides wird auf Bl. 56/57 des Verwaltungsvorganges des Beklagten verwiesen.
Mit der am 24.10.2016 erhobenen und am 26.10.2016 bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Zur Begründung führt der Kläger aus, dass materiell-rechtlich Leistungsberechtigte nach § 2 Abs. 1 AsylbLG dem “ System der Sozialhilfe“ zugewiesen seien. Selbst dann, wenn § 2 Abs. 1 AsylbLG alleine als Verweisung auf § 23 SGB XII zu verstehen wäre, stehe der berechtigte Personenkreis Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. § 23 SGB XII regele, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ausländer Sozialhilfe beziehen können. Zwar sehe die Vorschrift nur einen reduzierten Leistungskatalog vor, nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII seien aber als Pflichtleistungen die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Hilfe bei Krankheit, die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft, sowie die Hilfe zur Pflege auf sozialhilferechtliche Niveau vorgesehen. Die Erbringung der übrigen Sozialhilfeleistungen liege einzelfallbezogen im Ermessen der Behörde. Insofern habe der Kläger zwar keinen direkten Rechtsanspruch auf Leistungen der Blindenhilfe nach dem SGB XII, jedoch zumindest einen Anspruch darauf, dass der Beklagte ermessensfehlerfrei über seinen Antrag entscheide. Dies sei bislang nicht geschehen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2016 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Bewilligung von Blindenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, und in der Sache auch begründet, denn der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 22.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläge...