Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Nachzahlung von Krankengeld für Zufluss- und Vormonat. einmalige oder laufende Einnahme
Orientierungssatz
1. Krankengeld ist eine laufende Einnahme, welche nach § 11 Abs 2 S 1 SGB II grundsätzlich im Monat des Zuflusses in voller Höhe zu berücksichtigen ist.
2. Krankengeld ist nicht nach § 11 Abs 2 S 3 SGB II wie eine einmalige Einnahme zu behandeln, da es nach seinem Rechtsgrund nicht in größeren als monatsweisen Zeitabständen zufließt (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 10.10.2018 - L 31 AS 462/18).
3. Nachzahlungen im Sinne des § 11 Abs 3 S 2 SGB II sind grundsätzlich Einnahmen, die nicht zum Zeitpunkt der Fälligkeit sondern zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt werden. Da Krankengeld mit jedem Tag der Arbeitsunfähigkeit fällig und regelmäßig für Abschnitte von mehreren Wochen abgerechnet wird, kann bei Krankengeld jedoch nicht auf die Fälligkeit der Leistung abgestellt werden.
4. Eine Krankengeldzahlung ist nach der Intention des § 11 Abs 3 S 2 SGB II erst dann als Nachzahlung anzusehen, wenn Krankengeld nicht laufend oder für einen so langen Zeitraum gezahlt wird, dass es nicht mehr der Deckung des laufenden Lebensunterhalts dient. Eine Krankengeldzahlung für Tages des Zuflussmonats und des Vormonats deckt noch den laufenden Lebensunterhalt (Abweichung von SG Berlin vom 18.1.2019 - S 37 AS 12211/18).
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2018, Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 16. April 2019 und Aufhebung der Erstattungsbescheide vom 16. April 2019 für die Monate Januar 2019 und Februar 2019 verurteilt, den Klägern für die Monate November 2018 bis Februar 2019 Leistungen beziehungsweise höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Berücksichtigung von Krankengeld als Einkommen des Klägers zu 2.) zu gewähren.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen beziehungsweise höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum November 2018 bis Februar 2019.
Die am 1970 und 1977 geborenen Kläger sind verheiratet und standen bis September 2018 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Beklagten. Der Kläger zu 2.) ist Vater von drei minderjährigen, nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Kläger gehörenden Kindern.
Der Kläger zu 2.) erhielt von seiner gesetzlichen Krankenkasse seit November 2017 Krankengeld für verschieden lange Abrechnungszeiträume, welches der Beklagte als Einmaleinkommen im Sinne des § 11 Abs.3 SGB II ansah und bei der SGB II - Leistungsbewilligung jeweils auf sechs Monate nach dem jeweiligen Zuflusszeitpunkt verteilte. Im Mai 2018 erhielt der Kläger zu 2.) für den Abrechnungszeitraum vom 13. April 2018 bis 15. Mai 2018 Krankengeld in Höhe von 1188,00 Euro, im Juni 2018 erhielt er für den Abrechnungszeitraum vom 16. Mai 2018 bis 12. Juni 2018 Krankengeld in Höhe von 972,00 Euro, im Juli 2018 erhielt er für den Abrechnungszeitraum 13. Juni 2018 bis 24. Juli 2018 Krankengeld in Höhe von 1512,00 Euro, im August 2018 erhielt er für den Abrechnungszeitraum vom 25. Juli 2018 bis 24. August 2018 Krankengeld in Höhe von 1080,00 Euro und im September 2018 erhielt er für den Abrechnungszeitraum vom 25. August 2018 bis 5. Oktober 2018 letztmalig Krankengeld in Höhe von 1511,25 Euro. Ab dem 8. Oktober 2018 geht der Kläger zu 2.) einer abhängigen Erwerbstätigkeit nach.
Auf den Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum ab Oktober 2018 gewährte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 1. November 2018 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 221,78 Euro für den Monat Oktober 2018 sowie in Höhe von 11,86 Euro für den Monat Januar 2019, 191,86 Euro für den Monat Februar 2019 und 443,74 Euro für den Monat März 2019. Hierbei berücksichtige der Beklagte zusätzlich zum Erwerbseinkommen des Klägers zu 2.) bis Februar 2018 anteilig Krankengeldleistungen auf Grund von Zuflüssen in den Monaten Mai 2018 bis September 2018.
Mit Schriftsatz vom 7. November 2018 legten die Kläger gegen die vorgenannte Entscheidung des Beklagten Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass der Kläger zu 2.) auf Grund der Arbeitsaufnahme am 8. Oktober 2018 kein Krankengeld mehr beziehe und baten um Überprüfung der Einkommensanrechnung im Zeitraum Oktober 2018 bis Februar 2019. Mit Schriftsatz vom 8. November 2018 ergänzte die Prozessbevollmächtigte der Kläger, dass der Kläger zu 2.) im Zeitraum ab Oktober 2018 kein anrechenbares Krankengeld mehr erhalten werde. Im November 2018 sei diesem der erste Monatslohn in Höhe von 937,48 Euro netto zugeflossen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2018 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 1. November 2018 zurück. Mit dem Änderu...