Entscheidungsstichwort (Thema)

Meldepflicht. frühzeitige Arbeitssuche. Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs. verspätete Meldung. Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

Die Agentur für Arbeit trägt die objektive Beweislast für ein Verschulden des Arbeitslosen an der Verspätung seiner Meldung als Arbeit suchend.

 

Orientierungssatz

Enthält die Kündigung durch den Arbeitgeber keinen Hinweis auf die Verpflichtung zur frühzeitigen Arbeitssuche und ist die Angabe des Arbeitslosen glaubhaft, dass eine Belehrung auch mündlich nicht erfolgt ist und er die Obliegenheit nicht gekannt hat, so ist nicht nachweisbar, das den Arbeitslosen ein Verschulden an der Verspätung der Meldung trifft. Eine weitergehende Pflicht zur Kenntnis des Rechts der Arbeitsförderung kann vom Arbeitslosen nicht erwartet werden.

 

Tenor

1. Der Bescheid des Arbeitsamts Freiburg vom 18. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2004 wird dahin abgeändert, dass keine Anspruchsminderung eintritt.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Klage richtet sich gegen eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg), der mit zu später Meldung als Arbeit suchend begründet wird.

Der Kläger hatte am 01.05.2003 eine Arbeit als Gerüstbauhelfer aufgenommen. Der Arbeitgeber beendete das Arbeitsverhältnis durch schriftliche, am Ausstellungstag ausgehändigte Kündigung vom 15.10.2003 zum 30.11.2003. Die Kündigung enthielt keine Belehrung über die Obliegenheit zur unverzüglichen Meldung als Arbeit suchend. Am ersten Tag der Arbeitslosigkeit, dem 01.12.2003, meldete der Kläger sich arbeitslos und beantragte Alg.

Das Arbeitsamt (jetzt "Agentur für Arbeit") Freiburg (AA) schrieb dem Kläger am 18.12.2003, er hätte sich spätestens am 25.10.2003 Arbeit suchend melden müssen. Die Meldung sei daher um 37 Tage verspätet. Dadurch mindere sich der Anspruch für 30 Tage um 7 € je Tag, insgesamt also um 210 €. Das AA bewilligte durch Bescheid vom 22.12.2003 ab 01.12.2003 Alg unter Abzug des genannten Betrages. Gegen die Kürzung erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe von der Meldepflicht nichts gewusst und der Arbeitgeber habe ihn darüber auch nicht informiert. Das AA hielt im Widerspruchsbescheid vom 16.01.2004 an seiner Entscheidung fest. Unverzüglichkeit der Meldung werde vom AA nur anerkannt, wenn die Meldung spätestens am siebten Kalendertag nach Kenntnis vom Ende der Beschäftigung erfolge. Die schriftliche Kündigung gelte am dritten Tage nach der Absendung als zugegangen. Daraus ergebe sich die im Bescheid genannte Verspätung der Arbeitslosmeldung.

Am 05.02.2004 hat der Kläger Klage erhoben und sie wie den Widerspruch begründet.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid des Arbeitsamts Freiburg vom 22.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2004 dahin abzuändern, dass keine Anspruchsminderung eintritt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheides. Sie beruft sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 25.03.2004 (Aktenzeichen L 5 AL 3355/03) zu einem Verfahren des Sozialgerichts Freiburg. Danach hätten Gesetze als bekannt zu gelten, sodass man sich nicht auf ihre Unkenntnis berufen könne.

Auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten mit Anlagen und der Verwaltungsakte des AA wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Zu der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid sind die Beteiligten schriftlich gehört worden.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGG).

II. Die Klage ist begründet.

Der Bewilligungsbescheid ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als er den Alg-Anspruch des Klägers mit der Begründung einer Verspätung der Arbeitslosmeldung gekürzt hat.

Nach § 140 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mindert sich der Anspruch auf Alg, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich Arbeit suchend gemeldet hat. Nach § 37b sind Personen deren (Arbeitslosen-)Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt Arbeit suchend zu melden. Nach § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sollen Arbeitgeber Arbeitnehmer u. a. vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung beim Arbeitsamt informieren und sie hierzu freistellen. Diese Vorschriften sind am 01.07.2003 in Kraft getreten.

Im vorliegenden Fall ist keine Kürzung des Alg-Anspruchs nach § 140 SGB III eingetreten. Der Kläger hat sich nämlich unverzüglich arbeitslos gemeldet.

Zur Auslegung des Wortes "unverzüglich" ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die gesetzliche Begriffsb...

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