Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Erwerbsminderungsrente. Absetzung von Kontoführungsgebühren

 

Orientierungssatz

Bei Kontoführungsgebühren handelt es sich um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben iS von § 82 Abs 2 Nr 4 SGB 12 (Entgegen LSG Halle vom 23.4.2008 - L 8 SO 5/06 = ZFSH/SGB 2009, 176 und vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R = BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6).

 

Tenor

1. Die Bescheide der Beklagten vom 25.10.2007, 24.1.2008 und 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2007 bzw. 19.2.2008 bzw. 25.2.2008 werden abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von Januar 2008 an unter Berücksichtigung eines monatlich um Kontoführungsgebühren in Höhe von 5,90 € als Werbungskosten bereinigten Einkommens zu gewähren sowie ab November 2007 den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung entsprechend den prozentualen Veränderungen der Eckregelsätze/Regelsätze des Haushaltsvorstands seit 1997 zu erhöhen.

3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bereinigung von Renteneinkommen um Kontoführungsgebühren und höhere Leistungen für den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung im Rahmen von Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII).

Der ledige Kläger, geboren am ..., bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) seit 1.7.2005 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 17.9.2007). Unter dem 17.10.2007 beantragte er bei der Beklagten Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII ab 1.11.2007 und insbesondere die Absetzung von monatlichen Kontoführungsgebühren in Höhe von 5,90 € von seinem Einkommen. Mit Bescheid vom 25.10.2007 bewilligte die Beklagte die beantragten Grundsicherungsleistungen vom 1.11.2007 an bis auf weiteres ohne die Kontoführungsgebühren bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 26.11.2007 Widerspruch. Er brachte vor, die Erwerbsminderungsrente werde durch den Rentenservice der Deutschen Post AG mittels Banküberweisung ausgezahlt. Die Kontoführungsgebühren stellten somit Werbungskosten dar. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete dies damit, dass im Regelsatz ein Betrag für Kontoführungsgebühren enthalten sei, so dass eine separate Berücksichtigung nicht in Betracht komme.

Am 24.1.2008 erhob der Kläger die vorliegende Klage zum Sozialgericht Freiburg.

Mit Bescheiden vom 24.1.2008 bzw. 5.2.2008 setzte die Beklagte die Leistungen der Grundsicherung vom 1.12.2007 bzw. 1.4.2008 an bis auf weiteres neu fest, wiederum ohne das Einkommen um Kontoführungsgebühren zu bereinigen. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 4.2.2008 bzw. 11.2.2008 Widersprüche. Er brachte zusätzlich zum Streitpunkt der Kontoführungsgebühren vor, ab November 2007 sei der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung entsprechend den prozentualen Veränderungen der Eckregelsätze zu erhöhen. Insoweit beantrage er die Überprüfung nach Maßgabe des § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Mit Widerspruchsbescheiden vom 19.2.2008 bzw. 14.12.2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Der Mehrbedarf sei in Höhe der aktuell geltenden Sätze in die Bedarfsberechnung mit eingefügt worden. Am 17.3.2008 erhob der Kläger bezüglich der weiteren Bescheide eine weitere Klage zum Sozialgericht Freiburg (Az. S 9 SO 1373/08). Diese wurde mit Urteil vom 1.3.2011 als wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig abgewiesen, da die nunmehr angefochtenen Bescheide den im Verfahren S 9 SO 406/08 angefochtenen Bescheid ersetzen würden und somit gemäß § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand dieses Verfahrens geworden seien.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kontoführungsgebühren seien durch den Einkommensbezug in Form der Rente wegen voller Erwerbsminderung veranlasst und daher im Wege der Einkommensbereinigung nach § 82 Abs. 2 Nummer 4 SGB XII hiervon abzusetzen. Mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben bzw. Werbungskosten gehörten nicht zum notwendigen Lebensbedarf von Leistungsberechtigten und seien daher nicht aus dem Regelsatz zu zahlen. Im Regelsatz 2007 sei in der Abteilung 12 (andere Waren und Dienstleistungen) lediglich ein Betrag von 1,02 € monatlich für Finanzdienstleistungen enthalten; auch solle der Regelsatz nach der Konzeption des Gesetzgebers ausschließlich für die private Lebensführung zur Verfügung stehen und nicht für Werbungskosten eingesetzt werden müssen. Bis einschließlich Januar 2008 seien wegen diverser Überzahlungen und Nachzahlungen noch keine konkreten Gebühren entstanden. Wegen des Mehrbedarfs stützt er sich auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14.12.2007, L 8 AS 1462/07.

Die Beklagte hat sich im Wege eines Teilaner...

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