Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Syndikusrechtsanwalt. rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht. Zahlung von Mindestbeiträgen
Leitsatz (amtlich)
Bei der Zahlung von Mindestbeiträgen in Höhe von 30% des Regelpflichtbeitrages an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg handelt es sich um einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk iS des § 231 Abs 4b S 4 SGB VI.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl BVerfG vom 19.7.2016 - 1 BvR 2584/14 und SG Berlin vom 11.1.2017 - S 11 R 645/16 WA.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid vom 03.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin ab dem 01.02.2013 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien und die zu Unrecht gezahlten Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.03.2014 zu erstatten.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die rückwirkende Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht.
Die Klägerin ist seit dem 17.04.2008 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 31.07.2008 wurde sie ab dem 17.4.2008 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Die Befreiung erfolgte damals aufgrund ihrer Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin bei D.. Ab dem 01.02.2011 arbeitete die Klägerin als Legal Counsel im Bereich Administration bei der Fa. S. Die Tätigkeit war zunächst befristet bis zum 31.01.2013. Mit Schreiben vom 09.03.2011 teilte die Beklagte mit, dass sich die Befreiung vom 31.07.2008 auf die Beschäftigung als Legal Counsel bei der Fa. S. erstrecke.
Nachdem das Arbeitsverhältnis in ein Unbefristetes umgewandelt wurde, beantragte die Klägerin am 29.01.2013 erneut die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit Bescheid vom 03.03.2013 lehnte die Beklagte die Befreiung ab, da es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um keine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.08.2013 Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren wurde aufgrund eines zu dieser Frage beim BSG anhängigen Verfahrens zum Ruhen gebracht.
Mit Schreiben vom 16.03.2016 beantragte die Klägerin aufgrund der mittlerweile eingetretenen Rechtsänderung die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge. Mit Bescheid vom 14.09.2016 ließ die Rechtsanwaltskammer die Klägerin als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei der Fa. S. zu. Die Urkunde über die Zulassung erhielt sie am 23.09.2016. Mit Bescheid vom 15.11.2016 wurde die Klägerin daraufhin ab dem 23.09.2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Mit Bescheid vom 03.03.2017 befreite die Beklagte die Klägerin rückwirkend vom 01.04.2014 bis 22.09.2016 für ihre Tätigkeit bei der Fa. S. von der Rentenversicherungspflicht. Mit Bescheid ebenfalls vom 03.03.2017 lehnte die Beklagte die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.03.2014 ab. Die Klägerin habe bis 31.03.2014 keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt.
Gegen den Ablehnungsbescheid vom 03.03.2017 legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.03.2017 Widerspruch ein. Sie habe Mindestbeiträge in Höhe von 30% des Regelpflichtbeitrages geleistet. Dabei handele es sich auch um einkommensbezogene Pflichtbeiträge i.S.d. § 231 Abs. 4b SGB VI.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI fordere die Zahlung einkommensbezogener Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk für die zu befreiende Beschäftigung vor dem 01.04.2016. Das Versorgungswerk für Rechtsanwälte Baden-Württemberg habe nicht ausdrücklich bestätigt, dass für den Zeitraum 01.02.2013 bis 31.03.2014 einkommensbezogene Pflichtbeiträge aufgrund der Beschäftigung die der Fa. S. gezahlt worden seien. Mindestbeiträge, die keinen unmittelbaren Bezug zum Einkommen hätten, sondern sich pauschal auf Grundlage des Höchstbetrages zur gesetzlichen Rentenversicherung ermittelten Regelbetrages ergäben, seine keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge.
Daraufhin erhob die Klägerin am 03.08.2017 Klage zum Sozialgericht Freiburg. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 19.07.2016 die Rechtsauffassung vertreten, dass es sich bei den Mindestbeiträgen um einkommensbezogene Pflichtbeiträge handele.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 03.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die durch die Klägerin beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend ab dem 01...